Arbeitsrecht

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Wann spricht man von einem Betriebsübergang und welche Rechtsfolgen ergeben sich?

Betriebsübergang, Umfirmierung oder Stilllegung. Welche Rechte und Pflichten bestehen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

1. Was bezeichnet man als Betriebsübergang?

Als Betriebsübergang bezeichnet man die Übertragung von Betrieben oder Betriebsteilen auf ein anderes Unternehmen. Als Betriebsteil kann eine Abteilung, eine Filiale oder eine Geschäftsstelle angesehen werden. Darüber hinaus kann unter Umständen auch eine bestimmte Funktion, auch wenn sie nur eine Person betrifft, als Betriebsteil angesehen werden.

Allerdings ist ein Inhaberwechsel in einem Unternehmen nicht als Betriebsübergang anzusehen. In einem solchen Fall spricht man lediglich von einer Übertragung der Gesellschafteranteile.

 

2. Welche Funktion nimmt § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in diesem Zusammenhang ein?

Wenn ein solcher Betriebsübergang erfolgt, birgt dies zwangsläufig vielfältige Risiken für die betroffenen Arbeitnehmer/-innen. So ist durch den Wechsel des Arbeitgebers durchaus fraglich, ob die bestehenden Tarifverträge und Betriebs- oder Dienstvereinbarungen weiterhin ihre Geltung tragen. Darüber hinaus besteht auch Klärungsbedarf darüber, ob die bisherige Vergütung und der sonstige Besitzstand weiterhin gesichert ist. § 613a BGB kann hinsichtlich solcher Risiken für eine gewisse Absicherung sorgen. Weiterhin werden Betriebsräten und Gewerkschaften erhöhte Handlungsspielräume ermöglicht.

 

3. Was genau fällt in den Schutzbereich von § 613a BGB?

§ 613a BGB legt fest, dass die betroffenen Arbeitnehmer -automatisch- beim Übergang auf einen neuen Inhaber, einen neuen Arbeitgeber erhalten. Sie werden nicht gefragt und gelegentlich erfahren sie davon erst verspätet. Gleichzeitig legt § 613a BGB fest, dass für den neuen Arbeitgeber dieselben Rechte und Pflichten gelten, wie auch für den bisherigen. Dies ist zwingend und unabdingbar. Eine Abweichung darf nur zugunsten der Arbeitnehmer vorgenommen werden. Folgerichtig sind Vereinbarungen, die einen Betriebsübergang oder die Anwendbarkeit des § 613a BGB ausschließen, unwirksam.

Der neue Arbeitgeber tritt grundsätzlich an die Stelle des alten Arbeitgebers. Jedoch steht dem Arbeitnehmer nicht nur der neue Arbeitgeber als Gläubiger/Schuldner zur Verfügung, sondern auch der ehemalige. Für einen Ausgleich untereinander haben die Arbeitgeber zu sorgen, nicht die Beschäftigten.

 

4. Unter welchen Voraussetzungen kann § 613a BGB angewendet werden?

Zunächst muss ein Betrieb oder ein Betriebsteil den Inhaber wechseln. Handelt es sich um einen ganzen Betrieb, so bereitet dies in den meisten Fällen nur geringfügige Schwierigkeiten. Ist weiterhin ein Betriebsrat vorhanden, so wird in der Regel auch geklärt sein, was alles zum Betrieb gehört, denn der Betriebsrat hat eine gesetzliche, gegebenenfalls durch Tarifvertrag/Betriebsvereinbarung modifizierte Zuständigkeit hinsichtlich dessen.

Geht hingegen kein ganzer Betrieb, sondern lediglich ein Betriebsteil über, so bedarf es durchaus einer umfangreicheren Prüfung. Es kann sich um eine Abteilung, eine Geschäftsstelle, eine bestimmte Funktion -die im Extremfall sogar von nur einem/er Beschäftigten bekleidet wird- oder um eine Filiale handeln. Diesbezüglich bedarf es einer genauen Klärung.

Nicht von § 613a BGB betroffen sind die Betriebsteile, die bei dem bisherigen Unternehmen verbleiben. Hier handelt es sich ebenso wenig um einen Betriebsübergang wie bei der reinen Übertragung von Gesellschafteranteilen -beispielsweise einer GmbH- an andere.

Zweite Voraussetzung für einen Betriebsübergang ist das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts für die Übertragung. In erster Linie wird es sich dabei um Verkauf, Verpachtung oder Pächterwechsel, Unternehmensspaltung oder Verschmelzung sowie gegebenenfalls auch um eine Funktionsübertragung zwischen Unternehmen handeln. Auch hier kann Aufklärungsbedarf bestehen.

 

5. Erhalten Sie durch den Betriebsübergang automatisch einen neuen Arbeitsvertrag?

Nein. Die Übertragung der Arbeitsverhältnisse erfolgt durch Gesetz. Vor diesem Hintergrund ist ein neuer Arbeitsvertrag nicht notwendig. Aus Arbeitnehmersicht sollte man dem Abschluss neuer Arbeitsverträge im Zusammenhang mit einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich eher kritisch gegenüberstehen. Es ist nicht auszuschließen, dass der neue Arbeitgeber den Betriebsübergang zum Anlass einer arbeitsvertraglichen Verschlechterung nimmt.

 

6. Was passiert mit Ihrem alten Arbeitsvertrag? Ist er weiterhin gesichert?

Grundsätzlich erstmal ja. Beim Übergang des Betriebs schuldet der neue Arbeitgeber Ihnen als Arbeitnehmer/-in jeweils genau das, was Ihnen auch der ehemalige Arbeitgeber geschuldet hat. Gleiches gilt natürlich auch im umgekehrten Verhältnis. Der neue Arbeitgeber kann aber ebenso wie der alte Arbeitgeber versuchen, die arbeitsvertraglichen Bedingungen zu ändern. Es ist ihm nicht verboten, einen neuen Arbeitsvertrag oder eine Änderung des bisherigen Arbeitsvertrags vorzuschlagen. Letztlich ist auch eine Änderungskündigung nicht ausgeschlossen. Diese darf jedoch nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgen. Eine feste Frist von einem Jahr gibt es -entgegen einer weit verbreiteter Meinung- dabei nicht. Es liegt jedoch nahe, dass eine zeitgleich zum Betriebsübergang ausgesprochene Kündigung, in aller Regel aufgrund des Betriebsübergangs erfolgt.

 

7. Wie sieht es mit den Betriebsvereinbarungen aus?

Auch hier ist die Antwort abhängig von der Art des Betriebsübergangs. Für den Fall eines vollständigen Betriebsübergangs, bei dem der Betrieb sozusagen „identisch“ bleibt, gehen auch alle Betriebsvereinbarungen samt Betriebsrat automatisch mit über. Somit gelten alle Vereinbarungen zunächst weiter. Jedoch können diese grundsätzlich auch gekündigt werden. Die gesetzliche Regelfrist für die Kündigung beträgt drei Monate. Bei Betriebsvereinbarungen zur erzwingbaren Mitbestimmung, beispielsweise gem. § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), gelten diese bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung fort. Wird der übergehende Betrieb beim neuen Arbeitgeber in einen schon bestehenden Betrieb eingegliedert, so verlieren die Betriebsvereinbarungen ihre Gültigkeit als solche. Allerdings wird ihr Inhalt Bestandteil der Arbeitsverträge der betroffenen Arbeitnehmer/-innen. Diese können erst nach Ablauf einer Jahresfrist geändert werden.

 

8. Wie sieht es mit dem bisherigen Tarifvertrag aus? Ändert sich dahingehend etwas durch den Übergang?

Sofern sowohl der bisherige Betriebsinhaber als auch der neue Arbeitgeber demselben Tarifvertrag unterliegen, ändert sich an der Geltung des Tarifvertrags nichts. Wechselt der Betrieb oder ein Teil davon auf einen neuen Inhaber, der einem anderen Tarifvertrag unterliegt, so gilt der neue Tarifvertrag für diejenigen Arbeitnehmer/-innen, die Mitglied der Gewerkschaft sind, die diesen „neuen“ Tarifvertrag abgeschlossen hat. Soweit die Arbeitnehmer/-innen nicht Mitglied der tarifvertragschließenden Gewerkschaft sind, werden die bisherigen tariflichen Bestimmungen Bestandteil des jeweiligen Arbeitsvertrags, wenn die Arbeitnehmer/-innen Mitglied der Gewerkschaft sind, die den bisherigen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Erst nach der Jahresfrist kann der neue Arbeitgeber durch Änderung bzw. Änderungskündigung neue Bedingungen versuchen durchzusetzen. Gleiches gilt auch für den Fall, dass der neue Inhaber des Betriebs bzw. des Betriebsteils, nicht einem Tarifvertrag unterliegt.

 

9. Haben Sie ein Recht auf Unterrichtung über den Betriebsübergang?

Ja. Den Arbeitgeber trifft die Pflicht, jeden einzelnen Beschäftigten, der von dem Übergang betroffen ist, schriftlich über den Zeitpunkt, den Grund und die rechtlichen, sozialen sowie wirtschaftlichen Folgen des Übergangs und die voraussichtlich anstehenden Maßnahmen zu unterrichten.

 

10. Haben Sie ein Recht auf Widerspruch?

Innerhalb eines Monats nach der Unterrichtung durch den Arbeitgeber kann jede/r Beschäftigte dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen. Dies sollte schriftlich erfolgen und über dieses Recht muss jeder Beschäftigte informiert werden. Die Ausübung des Widerspruchsrechts ist jedoch mit besonderen Risiken verbunden und sollte daher gut überlegt sein. In den meisten Fällen ist sogar davon abzuraten. In aller Regel wird in dem abgebenden Betrieb der bisherige Arbeitsplatz nicht mehr vorhanden sein. Beim vollständigen Betriebsübergang werden unter Umständen gar keine Arbeitsplätze mehr existieren. Dem bisherigen Arbeitgeber wird so eine betriebsbedingte Kündigung ermöglicht. Ein Anspruch aus einem Sozialplan besteht nicht, wenn dies nicht ausdrücklich vorher vereinbart worden ist. Wenn der gesamte Betrieb übergegangen ist, und zwar einschließlich des Betriebsrats, gibt es auch keinen Betriebsrat mehr, der vor Ausspruch einer Kündigung angehört werden müsste.

 

11. Führt ein Betriebsübergang automatisch zu einer Betriebsänderung?

Der Betriebsübergang alleine ist noch keine Betriebsänderung und führt daher nicht zu einem Interessenausgleich und einem erzwingbaren Sozialplan. In aller Regel wird jedoch ein Betriebsübergang mit einer Betriebsänderung verbunden sein. Diese Betriebsänderung kann durch Einschränkung oder Stilllegung des Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen vorliegen (§ 11 Satz 2 Ziff.1. BetrVG). Ebenso kann die Betriebsänderung auch in der Verlegung des Betriebs oder eines wesentlichen Betriebsteils bestehen (§ 111 Satz 2 Ziff.2 BetrVG). Desweiteren ist ein Übergang eines Betriebsteils zwangsläufig mit einer Betriebsspaltung im bisherigen Betrieb verbunden (§ 111 Satz 2 Ziff.3 BetrVG). Weiterhin kann ein Fall der Verschmelzung (§ 111 Satz 2 Ziff. 3 BetrVG) vorliegen, wenn der übergehende Betrieb mit einem Betrieb im aufnehmenden Unternehmen verbunden wird. Und schließlich ist auch eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation infolge des Betriebsübergangs denkbar (§ 111 Satz 2 Ziff. 4 BetrVG).

 

12. Wie kann ein Rechtsanwalt Sie als betroffener Arbeitnehmer/-in eines Betriebsübergangs unterstützen?

Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht ist in der Lage, Sie in erster Linie vor einer vertraglichen Schlechterstellung durch den neuen Arbeitgeber zu schützen. Weiterhin kann er Sie vollumfänglich und mit Nachdruck in Ihren Rechten, sowohl gegenüber dem alten, als auch dem neuen Arbeitgeber bestärken und Ihre Interessen wahren.

Gerade bezüglich der Ausübung des Widerspruchsrechtes bestehen besondere Risiken, die ein Fachanwalt für Sie individuell einschätzen kann. So wird dem Arbeitgeber unter Umständen durch die Ausübung Ihres Widerspruchsrechtes die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung eingeräumt, durch die Sie im Regelfall -es sei denn es wurde zuvor ausdrücklich etwas gegenteiliges vereinbart- keinen Anspruch aus einem Sozialplan haben. Daher erscheint grundsätzlich eine individuelle Prüfung Ihrer arbeitsvertraglichen Situation durch einen Fachanwalt im Bereich Arbeitsrecht als ratsam.

Des Weiteren schützt das Gesetz die betroffenen Arbeitnehmer nicht vollständig und ausreichend. Es verbleibt für einen bestehenden Betriebsrat Raum, diesen Schutz zu verbessern. Es bieten sich beispielhaft mehrere Möglichkeiten, den Schutz, der von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer/-innen zu verbessern. Auch hier kann Ihnen ein Rechtsanwalt die in Ihrem Falle in Betracht kommenden Möglichkeiten aufzeigen.

 

13. Wie können solche Verbesserungen der gesetzlichen Regelungen aussehen?

Hier eine beispielhafte Auflistung:

  • Verlängerung der Einjahres-Schutzfrist (§ 613a Abs.1 Satz 2 BGB) für alle Rechte der Betroffenen, die aus Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen gelten und Bestandteil des Arbeitsvertrags werden. Vereinbarung von Kündigungsschutzregelungen bei betriebs- und personenbedingten Kündigungen für einen gewissen Zeitraum nach dem Übergang, da § 613a BGB nur einen Schutz vor Kündigungen wegen des Betriebsübergangs, nicht aber vor sonstigen Kündigungen enthält.
  • Regelungen zum Erhalt von Kündigungsschutzrechten und gegebenenfalls Sozialplanansprüchen bei Ausübung des Widerspruchrechts.
  • Vereinbarung von Übergangsregelungen für den Fall, dass die tarifvertraglichen oder durch Betriebsvereinbarungen getroffenen Regelungen im neuen Unternehmen ungünstiger sind.
  • Bestandsschutz freiwilliger sozialer Leistungen für einen gewissen Zeitraum nach dem Betriebsübergang.
  • Festschreiben der Dauer der Betriebszugehörigkeit, ggf. auch im Konzern.
  • Weitergeltung der tariflichen Regelungen auch bei einem eventuell weiteren Betriebsübergang.
  • Keine Vorlage von neuen Arbeitsverträgen (die alten Verträge gelten gesetzlich weiter).
  • Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für einen festen Zeitraum. Vereinbarung, dass das aufnehmende Unternehmen sich zum Abschluss gleichlautender Betriebsvereinbarungen für den Fall verpflichtet, dass die bisherigen Vereinbarungen untergehen.
  • Gegebenenfalls Vereinbarung über die Verlängerung des Übergangsmandats des Betriebsrats gem. § 21 a Abs.1 Satz 4 BetrVG auf beispielsweise 12 Monate. Insgesamt werden im Interessenausgleich bzw. Sozialplan noch eine Vielzahl von weiteren Regelungsbereichen je nach Betrieb und Art der Betriebsänderung eine Rolle spielen. Hierzu sollte sich der Betriebsrat informieren.

 

14. Geht der Betriebsrat automatisch mit über?

Geht der gesamte Betrieb über, so bleibt auch der bisherige Betriebsrat erhalten. Einzige Voraussetzung ist, dass der Betrieb auch im aufnehmenden Unternehmen erhalten bleibt.

Der Betriebsrat bleibt hingegen nicht erhalten, wenn der übergehende Betrieb in einen anderen Betrieb des aufnehmenden Unternehmens eingegliedert oder dort ganz stillgelegt wird. Bei einem Teilbetriebsübergang sind mehrere Varianten denkbar. Wenn der Hauptteil beim bisherigen Arbeitgeber verbleibt, dann verbleibt auch der Betriebsrat dort. Alle abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen gelten im alten Betrieb weiter. Unter Umständen muss im Rahmen von § 13 BetrVG eine Neuwahl durchgeführt werden. In dem übergegangenen Betriebsteil sollte ein neuer Betriebsrat gewählt werden, bis dahin nimmt der bisherige Betriebsrat für sechs Monate (Verlängerung kann durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag z.B. auf 12 Monate vereinbart werden) die Geschäfte auch für den übergegangenen Teil weiter wahr. Geht jedoch der Hauptteil des Betriebs auf das aufnehmende Unternehmen über, geht auch der Betriebsrat und damit alle Betriebsvereinbarungen über, wenn keine Eingliederung in einen Betrieb des neuen Arbeitgebers erfolgt, der bisherige Betrieb also nicht untergeht. Im zurückgebliebenen Teil des Betriebs sollte zügig ein neuer, in der Regel kleinerer Betriebsrat gewählt werden. Bis zum Amtsantritt führt der bisherige Betriebsrat, unter Wahrung der erwähnten Fristen die Geschäfte fort.

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