Arbeitsrecht

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Entgeltfortzahlung bei Krankheit- Berechnung und Umfang

Was passiert im Falle von Mehrfacherkrankungen?

1. Was versteht man unter „Entgeltfortzahlung“?

Die Entgeltfortzahlung steht für die Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall und die Fortzahlung der Vergütung an Feiertagen für alle Arbeitnehmergruppen. Dabei gilt dieser Anspruch auch für geringfügig Beschäftigte, also auch den sogenannten Minijobbern.

 

2. Welche Voraussetzungen bestehen für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?

Grundvoraussetzung für einen Vergütungsfortzahlungsanspruch ist, dass der Arbeitnehmer in Folge einer Krankheit arbeitsunfähig ist. Dabei begründet nur eine Krankheit, welche den Arbeitnehmer an der Ausführung seiner Arbeit hindert und somit zur Arbeitsunfähigkeit führt, einen Entgeltfortzahlungsanspruch.

Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich verpflichtet seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen bzw. anzuzeigen und durch eine entsprechende ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachzuweisen.

Diese Anzeige kann dabei dem Arbeitgeber gegenüber per email in Textform erfolgen – eine schriftliche Anzeige per Einschreiben ist nicht erforderlich (siehe hierzu den Artikel Gesetzesänderung zum 01.10.2016). Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sollte unverzüglich dem Arbeitgeber eingereicht werden.

Sofern der Arbeitnehmer aus anderen Gründen ohnehin an den angezeigten Krankheitstagen nicht gearbeitet hätte, so entfällt sein Entgeltfortzahlungsanspruch. So hat zum Beispiel der Arbeitnehmer keinen Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall, sofern die Arbeit, auch wenn er gesund gewesen wäre nicht erbracht hätte.

So zum Beispiel;

  • in Folge betriebsbedingter Gründe,
  • wegen einer mit dem Betriebsrat vereinbarten Betriebsstilllegung,
  • aufgrund einer Arbeitsaussetzung in Folge von Kurzarbeit,
  • das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers vereinbarungsgemäß ruht,
  • Arbeitnehmer sich in Elternzeit oder Pflegezeit befindet.

3. Besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch auch bei verschuldeter Arbeitsunfähigkeit?

Ein entsprechender Entgeltfortzahlungsanspruch besteht nur, sofern die Arbeitsunfähigkeit unverschuldet eingetreten ist.

Hierbei ist jedoch unter „Verschulden“ nicht das Verschulden des § 276 BGB, also jede Art von Fahrlässigkeit und Vorsatz, sondern ausschließlich ein grobes Verschulden gegen sich selbst maßgeblich.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine verschuldete Arbeitsunfähigkeit nur dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer in grober Weise gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt.

  • Beispiele für grobes Verschulden und Ausschluss der Entgeltfortzahlung

Die Arbeitsgerichte sehen grundsätzlich ein grobes Verschulden für die Arbeitsunfähigkeit in folgenden Fällen an, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass im Ergebnis immer alle Einzelheiten eines Falles zu würdigen sind;

  • im Zuge eines Verkehrsunfalles bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit,
  • verschuldeter Verkehrsunfall aufgrund Nichtbeachtung einer Rotlichtampel,
  • Verkehrsunfall durch das Unterlassen des Anschnallens des Sicherheitsgurtes
  • Verkehrsunfall durch die bewusste Mitfahrt/Beifahrer im Pkw eines alkoholisierten Fahrers.

Bei all diesen Beispielen wird von grobem Verschulden des Arbeitnehmers ausgegangen, so dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch nicht besteht.

  • Vorsicht bei sportlicher Betätigung in der Freizeit

Häufige Streitigkeiten zwischen den Parteien entstehen aufgrund der Frage, ob eine Verletzung im Zuge einer sportlichen Freizeitaktivität grob fahrlässig einzustufen ist oder nicht. Da es immer auf alle Umstände und den Einzelfall ankommt, landen diese Streitigkeiten häufig vor den zuständigen Arbeitsgerichten.

So lassen sich bereits viele Urteile finden, in denen bei klassischen „wochenendlichen Fußballspielen“ bis hin zum Amateurboxen und Drachenfliegen keine grobe Fahrlässigkeit angenommen wurde, sofern jedoch die entsprechende Schutzausrüstung (Helm etc.) auch verwendet wurde.

Die nicht ganz einheitliche Rechtsprechung zeigt sich jedoch im Gegensatz zu vorangestellten Sportarten hierzu bei Verletzungen im Zuge des Kickboxens. Hier hat das Arbeitsgericht Hagen vom 05.09.1989 ein Verschulden und grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers angenommen. Insofern gilt es immer den Einzelfall zu betrachten und alle Einzelheiten des Sachverhaltes zu werten.

 

4. Wie hoch ist der Entgeltfortzahlungsanspruch?

Im Allgemeinen ist der 100 %ige Lohn bzw. Gehalt bei der Entgeltzahlung auszuzahlen, welcher bei der individuell maßgebenden regulären Arbeitszeit angefallen wäre.

  • Unterschiede bei der Monatsvergütung

Bei einer „klassischen“ Monatsvergütung ist die Berechnung unproblematisch. Hier ist die auf den jeweiligen Krankheitstag anfallende Vergütung heranzuziehen, so dass der Monatsverdienst ungeachtet der Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlen ist.

Bei einer stundenbezogenen Vergütung ist der Stundensatz mit der Zahl der ausgefallenen Arbeitsstunden zu multiplizieren. Überstundenzuschläge und Vergütungen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit bleiben hierbei jedoch außer Betracht, sowohl bei monats- als auch bei stundenbezogener Vergütung. Eine Ausnahme besteht hiervon dann, wenn es sich um dauerhaft anfallende Überstunden handelt, so auch BAG, 5 AZR 457/00.

  • Berücksichtigung von Sonn- und Feiertagszuschlägen

Ebenfalls zum fortzuzahlenden Entgelt gehören Sonn- und Feiertagszuschläge.

Bei einer leistungsbezogenen Vergütung, sog. Provisionsvergütung ist von dem in dem Erkrankungszeitraum erzielbaren Durchschnittsverdienst auszugehen. So müssen auch laufende Leistungsprämien oder Leistungszulagen während der Arbeitsunfähigkeit fortgezahlt werden. So gehören zum Beispiel bei Profisportlern auch die dazugehörigen Prämien für jeden gewonnenen Meisterschaftspunkt dazu,  so auch BAG, 5 AZR 337/98.

 

5. Ab wann greift der Entgeltfortzahlungsanspruch?

Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach ununterbrochener Dauer von 4 Wochen des Arbeitsverhältnisses. Sofern der Arbeitnehmer also nach Beginn des Arbeitsverhältnisses innerhalb der ersten 4 Wochen erkrankt, entfällt ein Entgeltfortzahlungsanspruch.

 

6. Welche Anspruchsdauer besteht?

Die Entgeltfortzahlung wird grundsätzlich für die Dauer der Erkrankung vom ersten Krankheitstag an für maximal 6 Wochen (42 Tage) geleistet. Auch sofern eine Freistellung vereinbart wurde, bleibt es bei der Anspruchsdauer von 6 Wochen.

Sofern die Erkrankung länger als 6 Wochen dauert, zahlt ab der 7. Krankheitswoche, also ab dem 43. Tag, die Krankenkasse sogenanntes Krankengeld, welches entsprechend geringer ausfällt als der grundsätzlich vereinbarte Monatslohn/Gehalt. Diese Anspruchsdauer von 6 Wochen kann jedoch durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung verlängert werden, eine Verschlechterung aufgrund einer nachfolgenden Vereinbarung derselben Rechtsqualität ist bis zum gesetzlichen Mindeststandard möglich.

 

7. Besteht ein Anspruch auch bei Mehrfacherkrankungen?

Ein sehr wichtiger und häufig streitiger Punkt liegt vor, wenn mehrere jeweils neue Erkrankungen auftreten. Hier spricht man von sogenannten wiederholten Erkrankungen, für welche der Entgeltfortzahlungszeitraum von jeweils maximal 6 Wochen neu beginnt.

Sofern jedoch eine zweite Erkrankung eintritt, während der Arbeitnehmer noch aufgrund der ersten Erkrankung arbeitsunfähig ist, beschränkt sich in diesem Fall der Entgeltfortzahlungszeitraum auf einmalig 6 Wochen.

Handelt es sich wie oben geschildert um neue Erkrankungen, ist nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer zwischen der ersten und zweiten Erkrankung gearbeitet hat. Denn es soll ausreichen, wenn der Arbeitnehmer für wenige, in der Freizeit liegende Stunden, arbeitsfähig gewesen ist, BAG, 5 AZR 377/88.

Sofern also der Arbeitnehmer bis einschließlich Freitag krankgeschrieben und dieser Tag der 42. fortlaufende Tag seiner Arbeitsunfähigkeit war und er sodann am Montag aufgrund einer anderen Erkrankung „neu“ arbeitsunfähig ist, besteht ein entsprechend neuer sechswöchiger Entgeltfortzahlungsanspruch.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich nur eine Entgeltfortzahlung für sogenannte Fortsetzungserkrankungen besteht. Darunter versteht man Erkrankungen, an welchen der Arbeitnehmer aufgrund des identischen Grundleidens nochmals erkrankt und arbeitsunfähig wird. Hier hat der Arbeitnehmer grundsätzlich nur einen Anspruch auf insgesamt 6 Wochen. Nur wenn der Arbeitnehmer zuvor wieder 6 Monate gearbeitet hat, besteht ein erneuter, weiterer Anspruch auf sechswöchige Entgeltfortzahlung bei demselben Krankheitsbild.

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