Arbeitsrecht

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Wann darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit freistellen?

Die Freistellung des Arbneitnehmers von der Arbeit

 

1. Was versteht man unter einer Freistellung?

Grundsätzlich bestehen die Hauptpflichten in einem Arbeitsverhältnis einerseits in der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und andererseits in der Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung.

Sowohl in einem bestehenden als auch in einem gekündigten Arbeitsverhältnis sind jedoch vielgestaltige Sachverhaltskonstellationen denkbar, nach denen der Arbeitnehmer von der Erbringung seiner Arbeitspflicht entbunden werden kann. Teilweise entfällt gleichermaßen sodann auch die Vergütungsverpflichtung auf Seiten des Arbeitgebers.

 

2. Voraussetzungen des Freistellungsanspruchs des Arbeitnehmers?

Der Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers kann sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie dem arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. aus betrieblicher Übung, aus einer einschlägigen Betriebsvereinbarung oder aus gesetzlichen Vorschriften wie z. B. § 66 BGB oder § 3 PflegeZG ergeben.

Erfahrungsgemäß müssen hier auch tarifliche Regelungen berücksichtigt werden, da in diversen Tarifverträgen auch ein Freistellungsanspruch für den Arbeitnehmer verankert ist.

Häufigster Fall ist jedoch eine entsprechende Vereinbarung des Freistellungsanspruchs für den Arbeitnehmer in den einzelnen Arbeitsverträgen.

Bei der Freistellung des Arbeitnehmers ist zwischen der sogenannten bezahlten und der unbezahlten Freistellungen zu unterscheiden.

Während bei einer bezahlten Freistellung der Arbeitgeber weiter zur Vergütungszahlung verpflichtet bleibt, entfällt bei der unbezahlten Freistellung mit der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers gleichzeitig auch die Vergütungspflicht des Arbeitgebers.

Unabhängig davon, ob eine bezahlte oder unbezahlte Freistellung vereinbart wird, bestehen weiterhin beiderseitig die vertraglichen Nebenpflichten wie z. B. Verschwiegenheitspflichten, Wettbewerbsverbote auf Seiten des Arbeitnehmers, Unterlassungspflichten, genauso wie auch Fürsorgepflichten des Arbeitnehmers bezüglich des Persönlichkeitsrechts und des Eigentumsschutzes des Arbeitnehmers fort.

Verletzungen dieser vertraglichen Nebenpflichten während der bezahlten oder unbezahlten Freistellung können auch zu Schadensersatzforderungen und insbesondere auch zu Kündigungen des Arbeitnehmers berechtigten.

  • bezahlte Freistellung

Aus anwaltlicher Sicht beraten wir Mandanten häufig in Fällen der bezahlten Freistellung.

Diese Fallkonstellation findet sich z.B. in der Gewährung von Erholungsurlaub und Bildungsurlaub nach den entsprechenden Bildungsurlaubsgesetzen der Länder, der Befreiung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht in Fällen der unverschuldeten Arbeitsverhinderung im Sinne des § 616 sowie der Freistellung des Arbeitnehmers zur Stellensuche und der Meldung bei der Agentur für Arbeit.

Darüber hinaus gibt es auch noch die Möglichkeit der Freistellung für Auszubildende zur Teilnahme am Berufsschulunterricht, welche in den §§ 7 ff. BBiG geregelt ist. Wichtigster Kerngedanke bei der bezahlten Freistellung ist, dass eine Nachholung der so ausgefallenen betrieblichen Ausbildungszeiten ausgeschlossen ist und vom Auszubildenden nicht nachgeholt werden muss (vgl. hierzu auch Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.03.2001, Aktenzeichen 5 AZR 413/99).

  • unbezahlte Freistellung

Ein allgemeiner Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung unbezahlter Freistellung besteht grundsätzlich nicht.

Jedoch können auch einzelvertraglich bestimmte Tatbestände der unbezahlten Freistellung zwischen den Parteien im Vorhinein vereinbart worden sein.

Hierbei ist darauf zu achten, dass es sich nicht um klassisch vorformulierte Musterverträge handelt, sondern um individuelle Vereinbarungen bezüglich der Freistellung.

Gleichzeitig hat der Arbeitnehmer auch die Möglichkeit, sich auf eine unbezahlte Freistellung zu berufen, wenn der Arbeitgeber in der Vergangenheit regelmäßig dem Freistellungsbegehren anderer Arbeitnehmer unter vergleichbaren Umständen nachgekommen ist. Hier hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu berufen.

Abschließend muss bei der unbezahlten Freistellung noch der Sonderfall der Beteiligung eines Arbeitnehmers an einem gewerkschaftsorganisierten Streik genannt werden.

Denn im Falle eines gewerkschaftlich organisierten Streikes hat der Arbeitgeber keine Zahlungsverpflichtung, der Vergütungsausfall des streikenden Gewerkschaftsmitgliedes wird jedoch von der streikführenden Gewerkschaft teilweise durch das gezahlte Streikgeld kompensiert.

Nimmt der Arbeitnehmer jedoch an einem Streik nicht teil und ist aus anderen Gründen unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt, behält er dennoch weiterhin seinen Vergütungsanspruch. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer trotz bestehender anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit und trotz Arbeitskraftangebotes wegen eines laufenden Arbeitskampfes nicht beschäftigt wird.

 

3. Voraussetzungen des Freistellungsanspruchs des Arbeitgebers?

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer keinen allgemeinen Anspruch auf Freistellung gegenüber dem Arbeitnehmer.

Ohne gesetzliche, kollektivrechtliche oder vertragliche Regelung kann der Arbeitgeber, insbesondere auch aus wirtschaftlichen und betrieblichen Gründen, den Arbeitnehmer nicht unter Wegfall der Vergütung von der Arbeitsleistung freistellen. Denn der Arbeitgeber trägt grundsätzlich das Betriebsrisiko und kann dies nicht zum Nachteil auf den Arbeitnehmer abwälzen. In solchen Fällen steht dem Arbeitgeber vielmehr zur Reduzierung der Lohnkosten die betriebsbedingte Kündigung bzw. betriebsbedingte Änderungskündigung des Arbeitnehmers zur Verfügung.

  • unbezahlte Freistellung

Anders verhält es sich jedoch bei der Freistellung wegen einer vorherigen vorsätzlich unerlaubten Handlung des Arbeitnehmers (wie z. B. bei Betrug oder einer Unterschlagung), die zu einem Schaden des Arbeitgebers geführt hat. In solchen Fällen besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit zur Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen gegenüber den Vergütungsansprüchen des Arbeitnehmers für den Freistellungszeitraum. Auch wenn dies nicht als „klassische“ unbezahlte Freistellung rechtlich gesehen werden darf, kommt dies letztlich wirtschaftlich einer unbezahlten Freistellung gleich.

  • bezahlte Freistellung

Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer einen Beschäftigungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, so dass der allgemeine bezahlte Freistellungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer nicht besteht.

Jedoch kann dem Arbeitgeber arbeitsvertraglich eine Freistellungsmöglichkeit eingeräumt werden.

Dabei unterliegen jedoch die arbeitsvertraglichen Klauseln von vorformulierten Musterarbeitsverträgen den Inhaltsbeschränkungen der §§ 305 ff. BGB.

Insofern muss überprüft werden, ob die eingeräumte Freistellungsmöglichkeit des Arbeitgebers als unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 gewertet werden muss. Der häufigste Fall in der Praxis ist jedoch, dass der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigung von seiner Arbeitsleistung freigestellt wird unter entsprechender weiterer Vergütungsverpflichtung.

Gegen eine derartige Freistellungsklausel in den Arbeitsverträgen, welche sich in einem Großteil der „klassischen“ Arbeitsverträge wiederfindet, bestehen keine Bedenken bezüglich ihrer Wirksamkeit. Sofern der Arbeitnehmer die bezahlte Freistellung seines Arbeitgebers nicht akzeptiert, kann die Freistellung auch gerichtlich überprüft werden. Denn die Rechtsmäßigkeit der Freistellung unterliegt grundsätzlich einer umfassenden Interessenabwägung, bei welcher zu überprüfen ist, ob ausnahmsweise besondere schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers vorliegen, die gegenüber dem grundsätzlich bestehenden Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers deutlich überwiegen und somit eine bezahlte Freistellung rechtfertigen.

Dies gilt in gleicher Weise für leitende Angestellte und Führungskräfte sowie auch für den „klassischen“ Sachbearbeiter.

Klassische Beispiele, in welchen bei einer Interessenabwägung das Interesse des Arbeitgebers an einer Freistellung überwiegt, sind die Fälle, bei welchen nach Ausspruch einer fristgerechten verhaltensbedingten Kündigung während der Dauer der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freigestellt wird, sofern die Kündigung auf einer Straftat des Arbeitnehmers beruht, bzw. dringender Tatverdacht diesbezüglich besteht.

Im Zuge von betriebsbedingten Kündigungen bilden Freistellungen die Ausnahme, da ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers grundsätzlich nicht besteht, es sei denn, die Beschäftigungsmöglichkeit ist definitiv weggefallen und für den gekündigten Arbeitnehmer besteht innerhalb der Kündigungsfrist keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit.

 

4. Besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates?

Grundsätzlich besteht bei Freistellungen kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, da Freistellungen nicht als Versetzungen im Sinne von § 99 BetriebsVG zu sehen sind, da nicht nur Aufgaben entzogen werden, sondern nur neue zugewiesen. So auch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 28.03.2000, Aktenzeichen 1 ABR 17/99.

 

Zu den Rechtsfolgen einer Freistellung von der Arbeit klicken Sie bitte hier. Sollten darüber hinaus noch Fragen bestehen, freuen wir uns auf Ihre Kontaktanfrage.

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