1. Was sind Stundenverrechnungssätze und warum werden sie gekürzt?
Die Stundenverrechnungssätze sind die Arbeitskosten, die eine Werkstatt für Reparaturen berechnet. Bei der fiktiven Abrechnung, also wenn keine tatsächliche Reparatur durchgeführt wird, sondern der Schaden auf Basis eines Gutachtens abgerechnet wird, legen Sachverständige in der Regel die Stundensätze von markengebundenen Fachwerkstätten zugrunde. Diese liegen oft über den Stundensätzen freier Werkstätten.
Versicherungen versuchen häufig, diese Kosten zu senken, indem sie statt der Fachwerkstattpreise durchschnittliche Stundensätze ansetzen. Diese Durchschnittswerte basieren entweder auf einer Mischung aus markengebundenen und freien Werkstätten oder ausschließlich auf den günstigeren Sätzen freier Werkstätten. Dadurch entstehen für den Geschädigten oft erhebliche Kürzungen bei der Regulierung des Schadens.
Warum sind Fachwerkstätten teurer?
Markengebundene Werkstätten, beispielsweise von BMW oder Mercedes, haben oft höhere Kosten aufgrund von:
– Qualitätsmanagement der Automarke
– Regelmäßigen Schulungen und Zertifizierungen der Mitarbeiter
– Spezialisierung auf bestimmte Fahrzeugmarken und Modelle
Diese Faktoren spiegeln sich in den höheren Stundenverrechnungssätzen wider.
Darf die Versicherung die Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung kürzen?
Die Frage, ob Versicherungen die Stundensätze kürzen dürfen, ist oft umstritten. In fiktiven Abrechnungsfällen, also wenn der Schaden auf Grundlage eines Gutachtens und nicht durch eine konkrete Reparaturrechnung beglichen wird, kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen Versicherungen und Geschädigten.
Entscheidung des BGH (Porsche-Urteil):
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem richtungsweisenden Urteil (sog. Porsche-Urteil) klargestellt, dass bei der fiktiven Abrechnung die Stundensätze von markengebundenen Fachwerkstätten angesetzt werden dürfen. Ein Durchschnittswert der Stundensätze, gebildet aus freien und markengebundenen Werkstätten, sei nicht zulässig. Das Gericht betont, dass der Geschädigte das Recht hat, den Schaden nach den Stundensätzen einer markengebundenen Werkstatt abzurechnen, selbst wenn keine tatsächliche Reparatur erfolgt.
Wichtig: Der BGH führt aus, dass der Schädiger den gesamten Schaden unabhängig von den wirtschaftlichen Dispositionen des Geschädigten beheben muss. Die Möglichkeit der fiktiven Schadensabrechnung soll nicht durch Kürzungen der Verrechnungssätze eingeschränkt werden.
3. Gibt es Ausnahmen, bei denen die Versicherung die Stundenverrechnungssätze kürzen darf?
Trotz des klaren Urteils des BGH gibt es Situationen, in denen die Versicherung berechtigt ist, niedrigere Stundensätze anzusetzen. Der BGH räumt ein, dass der Geschädigte auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verwiesen werden kann, sofern:
– Eine gleichwertige Reparatur in einer anderen Werkstatt angeboten wird.
– Diese Werkstatt für den Geschädigten problemlos zugänglich ist.
– Voraussetzungen für die Verweisung auf eine günstigere Werkstatt
Um die Stundensätze zu senken, muss die Versicherung dem Geschädigten eine konkrete Reparaturmöglichkeit aufzeigen, die sowohl gleichwertig als auch leicht erreichbar ist. Es reicht nicht aus, lediglich auf das Vorhandensein freier Werkstätten in der Region hinzuweisen. Die vorgeschlagene Werkstatt muss im Hinblick auf:
– Erfahrung mit der Fahrzeugmarke
– Qualität der Reparatur
– den gleichen Standard wie die markengebundene Werkstatt bieten.
Hohe Anforderungen an Gleichwertigkeit und Zugänglichkeit
Die Gerichte stellen in der Regel hohe Anforderungen an die Gleichwertigkeit und Zugänglichkeit der vorgeschlagenen Werkstätten. In der Praxis bedeutet dies, dass Kürzungen der Versicherung nicht ohne Weiteres akzeptiert werden sollten. Eine sorgfältige Prüfung des konkreten Angebots ist notwendig, um sicherzustellen, dass die vorgeschlagene Werkstatt tatsächlich den erforderlichen Qualitätsstandard erfüllt.
4. Wie sollten Geschädigte vorgehen?
Wenn die Haftpflichtversicherung versucht, die Stundensätze zu kürzen, sollten Sie als Geschädigter genau prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Verweisung auf eine günstigere Werkstatt tatsächlich gegeben sind. Folgende Schritte können helfen:
1. Prüfung des Gutachtens: Stellen Sie sicher, dass die Stundensätze im Sachverständigengutachten korrekt berechnet wurden.
2. Rechtsberatung einholen: Konsultieren Sie einen Anwalt, um die Rechtslage in Ihrem speziellen Fall zu klären.
3. Nicht voreilig akzeptieren: Kürzungen sollten erst nach gründlicher Prüfung akzeptiert werden, insbesondere wenn keine gleichwertige Reparaturmöglichkeit besteht.
5. Fazit: Lassen Sie Kürzungen nicht ungeprüft
Die fiktive Schadensabrechnung bietet Geschädigten die Möglichkeit, den Schaden auf Basis eines Gutachtens abzurechnen, ohne das Fahrzeug tatsächlich reparieren zu lassen. Versicherungen versuchen jedoch häufig, die Stundensätze zu kürzen, was zu erheblichen finanziellen Nachteilen führen kann.
Dank des Porsche-Urteils des BGH ist klar, dass Geschädigte in der Regel die höheren Stundensätze von markengebundenen Fachwerkstätten ansetzen dürfen. Ausnahmen sind nur dann zulässig, wenn eine gleichwertige und leicht zugängliche Reparaturmöglichkeit nachgewiesen wird. Lassen Sie sich daher bei Kürzungen der Stundensätze anwaltlich beraten, um Ihre Ansprüche zu sichern.
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