Erbrecht

Alles was Sie wissen müssen zum Thema Pflichtteilsverzicht im Behindertentestament

Sie möchten Ihr behindertes Kind nach Ihrem Tod gut versorgt wissen? Was müssen Sie bei der Testamentserstellung beachten?

Es kommt immer wieder zur Frage, wie ein Testament gestaltet werden muss, wenn es in der Familie ein behindertes Kind gibt. Schließlich möchten die Eltern das Kind über ihren Tod hinaus gut versorgt sehen. Es kam im Jahr 2011 zu einem richtungsweisenden BGH-Urteil, welches die Möglichkeit des Pflichtteilsverzichts von behinderten Kindern grundlegend geklärt hat. Wir möchten Ihnen im Folgenden die wichtigsten Informationen zu einem solchen „Behindertentestament“ liefern und ihnen strategische Gestaltungsmöglichkeiten erklären.

 

1. Welche Probleme können im Erbfall eintreten, wenn ein Erbe behindert ist?

Behinderte Menschen müssen bis zu einem geringen Schonbetrag zuerst ihr Einkommen und Vermögen zur Lebenssicherung einsetzen. Ist das Einkommen bzw. Vermögen aufgebraucht bzw. nicht vorhanden, können Sie Sozialleistungen beantragen wie zum Beispiel Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege, Wohngeld etc.. Problematisch wird es, wenn ein behinderter Mensch zum Erben wird. Dann kann es vorkommen, dass die zuständigen Kostenträger der Sozialleistungen auf das Erbe zurückgreifen möchten, um die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu tragen. Es gibt für diesen Fall jedoch Möglichkeiten, das Testament derart zu gestalten, dass ein behindertes Kind weiterhin Sozialleistungen beziehen kann, auch wenn es nach dem Versterben eines oder beider Elternteile möglicherweise pflichtteilsberechtigt wäre. Die nachfolgend geschilderten Möglichkeiten beziehen sich auf ein (noch) geschäftsfähiges behindertes Kind. Rechtssicherheit verschafft dabei das Urteil des BGH vom 19.01.2011 (AZ: IV ZR 7/10), welches wir nachfolgend erläutern möchten.

 

2. Was war die Ausgangssituation für das BGH-Urteil?

Der BGH musste sich bei seiner Entscheidung im Jahr 2011 mit der Frage beschäftigen, ob der Pflichtteilsverzicht eines behinderten noch geschäftsfähigen Kindes sittenwidrig und damit unwirksam ist. Ausgangssituation war, dass ein Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament erstellt hatte, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben und ihre drei Kinder als Schlusserben. Eine Tochter leidet jedoch unter einer Lernbehinderung, steht aber nicht unter gerichtlichen Betreuung und ist geschäftsfähig. Sie erhält Eingliederungshilfe bzw. Hilfe gemäß § 19 Abs. 5 SGB XII. Sie wurde in dem Testament als nicht befreite Vorerbin eingesetzt. ihre Geschwister als Voll-Miterben. In dem Testament wurde über den Vorerbteil eine Dauerstestamentsvollstreckung angeordnet, wobei der Bruder Testamentsvollstrecker der Leistungsbezieherin werden sollte und die beiden Geschwister zu Nacherben. Auftrag an den Testamentsvollstrecker war, die der Leistungsbezieherin zur Verbesserung ihrer Lebensqualität Geld- oder Sachleistungen aus dem Nachlass zukommen zu lassen, auf die der Sozialhilfeträger nicht zugreifen und die er nicht auf die Sozialleistungen anrechnen kann. 

Nach Beurkundung dieses Testaments verzichteten die drei Kinder vor dem Notar auf den jeweiligen Pflichtteil des Erstversterbenden. Noch am gleichen Abend nach der wirksamen Testamentserstellung und dem ebenfalls wirksamen Pflichtteilsverzicht verstarb die Ehefrau. Der Sozialhilfeträger leitete in der Folge dennoch den Pflichtteilsanspruch auf sich über, da er den Pflichtteilsverzicht als sittenwidrig und damit unwirksam betrachtete. Der Pflichtteilsverzicht habe seiner Ansicht nach lediglich dazu gedient, zu verhindern, dass der Sozialhilfeträger Zugriff auf das Erbe bekäme. Der überlebende Ehemann der Verstorbenen verwies jedoch darauf, dass alle seine Kinder auf ihren Pflichtteil verzichteten, damit er als Vater finanziell abgesichert sei und nicht das Hausgrundstück als wesentlichem Vermögenswert nicht verwerten müssen. 

Es kam zur Klage des Sozialhilfeträgers bis zum Bundesgerichtshof, der dann schlussendlich entschied, dass ein solcher Pflichtteilsverzicht nicht sittenwidrig und damit wirksam sei. 

 

3. Welche Folgen hat das BGH-Urteil für das Behindertentestament?

Nach derzeitigem Rechtsstand ist es möglich, durch den Pflichtteilsverzicht des behinderten Kindes zu erreichen, dass sämtliche Kostenträger von Sozialleistungen keinen Zugriff auf den Pflichtteil haben. Wichtig dabei ist, dass der Pflichtteilsverzicht bereits zu Lebzeiten des Erblassers erfolgt und sowohl das Testament als auch der Pflichtteilsverzicht wirksam sind, indem sie beispielsweise notariell beurkundet werden. 

 

TIPP:

Kontaktieren Sie frühzeitig einen Rechtsanwalt, mit dem Sie Ihre Vorstellungen zur Testamentsgestaltung hinsichtlich Ihrer Vermögenssituation besprechen. Gerade dann, wenn ein Kind behindert ist und Sozialleistungen erhält, gibt es legale Gestaltungsmöglichkeiten des Testaments, um den Zugriff von Sozialleistungsträgern auf das geerbte Vermögen zu verhindern. Das BGH-Urteil gibt derzeit Rechtssicherheit für den Pflichtteilsverzicht des behinderten Erben, so lange es vom Gesetzgeber keine anderen Regelungen gibt. Scheuen Sie daher nicht, uns zu kontaktieren, um die optimale Testamentsgestaltung für Ihre Lebens- und Familiensituation zu finden.

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