Erbrecht

Alles was Sie wissen müssen zum Thema Testamentsauslegung bei „gleichzeitigem Ableben“

Was passiert, wenn ein Testament den Passus „bei gleichzeitigem Ableben“ enthält? Ist dieser Passus wörtlich zu nehmen oder Auslegungssache?

 

Diese Fragen wurden aufgeworfen anhand eines Falls, der sich im Jahr 2016 abspielte und der durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 2018 entschieden wurde (Az.: IV ZB 30/18). Im Folgenden möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über diesen Fall geben und Ihnen die Konsequenzen für die Testamentserstellung aufzeigen.

 

1. Was war die Ausgangslage für das BGH-Urteil?

Ausgangslage war das gemeinsame Testament eines kinderlosen Ehepaares. Dieses Ehepaar hatte bereits im Jahr 2002 ein Testament rechtswirksam handschriftlich verfasst, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Im Jahr 2012 fügten Sie dem Testament einen Text hinzu, in dem Sie festlegten, dass „für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens“ ihr Testament derart ergänzt werden solle, dass das Erbteil gleichmäßig unter „unseren Neffen bzw. Nichten“ aufgeteilt werden solle. Nun starb zunächst im März 2015 der Ehemann, im Juli 2016 seine kinderlose Ehefrau. 

Die Nichten und Neffen des verstorbenen Ehemannes legten das Testament nach dem Ableben der Erblasserin so aus, dass sie sich als Erben betrachteten und daraufhin den Erbschein beim zuständigen Nachlassgericht beantragten. Dieser wurde ihnen auch vom Gericht ausgestellt. Die letztverstorbene Erblasserin hingegen hatte keine leiblichen Nichten bzw. Neffen, sondern lediglich eine Cousine. Diese legte daraufhin Rechtsbeschwerde ein. Es kam zum Rechtsstreit über die Instanzen hinweg, der schließlich in dem Urteil des BGH endete.

 

2. Wie urteilt das BGH über den Passus „bei gleichzeitigem Ableben“ im Testament?

Grundsätzlich hat der BGH entschieden, dass nicht die Nichten und Neffen des Ehemannes rechtmäßige Erben seien, sondern die Cousine der letztverstorbenen Ehefrau, da der Passus „bei gleichzeitigem Ableben“ in diesem Fall nicht wirksam sei. Schließlich sind Ehemann und Ehefrau in einem Abstand von 16 Monaten verstorben, was einen erheblichen zeitlichen Abstand darstelle. Hier kann man nicht mehr von einem gleichzeitigen Ableben sprechen, so dass die Testamentsergänzung des Ehepaares aus dem Jahr 2012 nicht gilt. Es gilt folglich die gesetzliche Erbfolge, die vorsieht, dass die Cousine der letztverstorbenen Ehefrau die Alleinerbin ist. Eine andere Formulierung, die die Beweggründe für die Testamentsergänzung widerspiegeln würde, ist nicht vorhanden, so dass der Passus „bei gleichzeitigem Ableben“ wörtlich genommen werden müsse.

 

3. Welche Folgen hat das BGH-Urteil für die Formulierung in Testamenten?

Zunächst einmal muss klargestellt werden, dass Beweggründe für eine Testamentsergänzung klar formuliert werden müssen, damit das Testament dann entsprechend dem Willen der Erblasser ausgelegt werden kann. Das bedeutet, dass hier nicht nur klar formuliert werden muss, was unter gleichzeitigem Ableben verstanden wird, sondern auch eine Formulierung getroffen werden muss, die für ein Versterben auch bei erheblichem zeitlichen Abstand gültig ist und dann greift. 

Eine Formulierung wie „unsere Neffen und Nichten“ zeigt zudem zwar die Verbundenheit, lässt jedoch nicht zu, dass eine gesetzliche Erbfolge für den Erbfall außer Kraft gesetzt wird, es sei denn es liegt eine andere Formulierung vor. Hätten die Nichten und Neffen auf jeden Fall als Schlusserben eingesetzt werden sollen, hätte das Ehepaar dies klar aufschreiben müssen.

Auch mögliche Absprachen außerhalb des Testaments (z.B. per E-Mail oder in Telefonaten) mögen zwar glaubwürdig sein, sind jedoch rechtlich nicht wirksam, da lediglich ein rechtswirksames Testament Grundlage für den Erbfall ist.

 

TIPP:

Formulieren Sie klar die Bedingungen für den Erbfall. Vage Formulierungen führen im Erbfall dazu, dass das Testament anders ausgelegt wird, als Sie es sich zu Lebzeiten gewünscht haben. Daher sollten Sie stets mit Beratung eines Anwalts zunächst Ihre Vorstellungen für den Erbfall besprechen, um sie dann auslegungssicher handschriftlich niederzuschreiben. 

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