Erbrecht

 

Alles was Sie wissen müssen zum Thema „Erbausschlagung“

Wirksamer Schutz vor Schulden durch Erbausschlagung

Erben ist vielfach mit der schönen Vorstellung verbunden, dass man teilweise unverhofft ein stattliches Vermögen erlangt, wertvolle Schmuckstücke oder eine gepflegte Immobilie. In der Realität kommt es dann jedoch manchmal zu einer bösen Überraschung. Was tun, wenn statt des umfangreichen Vermögens nur noch eine Menge an Schulden übrig ist? Erben bedeutet nämlich nicht nur die Übernahme von Vermögenswerten, sondern auch die Übernahme von Verbindlichkeiten.

Prinzipiell ist eine Erbausschlagung sinnvoll, wenn:

  • es sich um eine stark sanierungsbedürftige Immobilie handelt, für deren Sanierung Sie erst einmal selber hohe Kosten hätten
  • sich nach Prüfung aller Unterlagen herausstellt, dass der Erblasser mehr Verbindlichkeiten als Guthaben hat.
  • Sie selbst überschuldet sind und nicht möchten, dass der Nachlass an Ihre Gläubiger geht (wenn auch hier der Vorteil darin liegt, dass Sie Schulden tilgen könnten)
  • Sie in einer Privatinsolvenz stecken und Sie nicht möchten, dass bei der Annahme des Erbes ein Teil an den Insolvenzverwalter gehen würde.

Sollte es zu einem dieser unschönen Fälle kommen, haben Sie als Erbe verschiedene Möglichkeiten zu reagieren. Im Folgenden möchten wir Ihnen einen Überblick über Ihre rechtlichen Möglichkeiten verschaffen.

 

1. Auf welche Weise kann ich das Erbe ausgeschlagen?

Zunächst einmal gilt es für Sie, sich einen Überblick über die finanzielle Situation des Erblassers zu verschaffen, sobald Sie von dem Erbe erfahren. Um eine Übersicht aller finanziellen Angelegenheiten bei den Banken zu erhalten benötigen Sie jedoch nicht zwangsläufig einen Erbschein, den Sie normalerweise ja auch erst mit der Annahme des Erbes erhalten. Laut eines BGH-Urteils dürfen die Banken nicht auf einen Erbschein bestehen, so dass Sie, bevor Sie das Erbe annehmen, bereits Einsicht mit Hilfe der Sterbeurkunde, eines Testamens, Erbvertrags und Ihres Stammbuchs erhalten. Hilfreich ist in diesem Fall auch schon eine zu Lebzeiten erfolgte Kontovollmacht über die Konten des Erblassers.

Sollte sich dabei Ihre Annahme bewahrheiten, dass Verbindlichkeiten das Guthaben des Erblassers überwiegen, ist es ratsam, Hilfe durch einen Anwalt zu ersuchen. Grundsätzlich besteht nämlich die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen.

Dabei muss die Ausschlagung in schriftlicher Form erfolgen. Sie können dafür selber zum zuständigen Nachlassgericht gehen und dort die Ausschlagung zu Protokoll geben. Das zuständige Nachlassgericht ist dabei das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Verstorbene zuletzt längerfristig aufgehalten hat.

Sie können die Ausschlagung auch selber schriftlich festhalten, müssen diese jedoch notariell beglaubigen lassen.

Ratsam ist es bei der Erklärung der Ausschlagung, die Gründe für die Ausschlagung (z.B. Überschuldung des Erblassers) anzugeben. Ebenso hilfreich ist die Formulierung „aus allen Berufungsgründen“ um sowohl eine Ausschlagung der gesetzlichen als auch der testamentarischen Erbfolge zu erreichen.

Leben Sie an einem anderen Wohnort als der Verstorbene gibt es Möglichkeiten, die Ausschlagungserklärung auch an Ihrem zuständigen Nachlassgericht einzureichen. In diesem Fall ist jedoch ebenso wie auch bei einem ausländischen Wohnort des Erblassers rechtsanwaltliche Hilfe geboten.

Im Fall von minderjährigen Erben oder Betreuten können nur die gesetzlichen Vertreter, also sorgeberechtigte Elternteile, Vormund oder Betreuer, die Erbschaft ausschlagen. Zwar gelten, was die Form und Frist der Ausschlagungserklärung betrifft die gleichen Bedingungen wie bei volljährigen Erben, dennoch gibt es einen Unterschied. Eine Ausschlagung ist nur wirksam, wenn gleichzeitig eine Genehmigung des Vormundschafts- oder Familiengerichts eingeholt wird. Da dies natürlich mit einer zeitlichen Verzögerung einhergeht, wird die übliche Sechs-Wochen-Frist zur Erklärung der Erbausschlagung hierbei gehemmt. Sobald die Genehmigung des Familiengerichts vorliegt, läuft die Frist jedoch weiter.

Eine Ausnahme für dieses Procedere gibt es nur dann, wenn die Kinder erst erbberechtigt werden, da die Eltern selber das Erbe ausgeschlagen haben. Ist dies der Fall, können Sie die Ausschlagung des Erbes im Namen der Kinder gleichzeitig mit Ihrer Erbausschlagung einreichen und die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung entfällt.

 

2. Gibt es Fristen zur Erbausschlagung?

Ja, es gibt eine Frist, die einzuhalten ist. So ist die Erbausschlagung nur wirksam, wenn sie innerhalb einer Sechs-Wochen-Frist dem Nachlassgericht zugestellt wird. Das bedeutet, dass Sie mit dem Tag, an dem Sie von dem Erbe erfahren haben, sechs Wochen Zeit haben, die Erbausschlagung beim Nachlassgericht einzureichen. Stichtag ist dabei zumeist der Todestag des Erblassers. Im Falle eines Testaments oder Erbvertrags beginnt die Frist nicht vor der Testamentseröffnung durch das Gericht. Fristverlängerungen werden nur im Ausnahmefall gewährt. Da das Nachlassgericht Sie nicht anschreibt, sondern davon ausgeht, dass Sie als potentieller Erbe von dem Nachlass rechtzeitig erfahren, gilt es also unverzüglich eine Entscheidung bzgl. der Annahme oder Ausschlagung des Erbes zu treffen. Auch hier ist die kurzfristige Beratung durch unseren Erbrechtsexperten geboten.

 

3. Wie teuer ist eine Erbausschlagung?

Wenn es sich um eine Ausschlagung handelt, da der Erblasser überschuldet war, sind die anfallenden Kosten relativ gering. Sie liegen bei pauschal 30 Euro (KV 21201 Nr. 7 GNotKG), die an das Nachlassgericht gezahlt werden. Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass Sie ein Erbe ausschlagen, dass nicht aus Schulden besteht, richtet sich die Gebühr nach der Höhe des Nachlasswertes und dem Gerichts- und Notarkostengesetz.

 

4. Was sind die Folgen der Ausschlagung?

§ 1953 BGB regelt die Wirkungen der Erbausschlagung. Prinzipiell ist die Ausschlagung unwiderruflich. Bei einer Erbausschlagung verzichten Sie auch auf den gesetzlichen Pflichtteil. Das Erbe fällt im Falle der Ausschlagung dann demjenigen zu, der an nächster Stelle der gesetzlichen Erbfolge oder laut Testament bzw. Erbvertrag steht. Dabei teilt das Nachlassgericht dem „neuen“ Erben mit, dass er in Folge der Ausschlagung Erbe geworden ist. Sollten auch die nächsten Erben das Erbe ausschlagen, ist schließlich der Staat Erbe.

 

5. Welche Probleme können auftreten?

Grundsätzlich sollten Sie sich anwaltliche Unterstützung suchen, wenn es um Nachlassverbindlichkeiten oder eine Erbausschlagung geht, da es immer wieder auch Ausnahmen in der Rechtsprechung gibt.

Beispielsweise hat der BGH bzgl. des Berliner Testaments in einem Urteil entschieden, dass der Schlusserbe erst dann das Erbe ausschlagen kann, wenn der längerlebende Ehegatte gestorben ist. Hier gibt es zwar auch die Möglichkeit des sog. Zuwendungsverzichts (vgl. § 2352 BGB), doch dieses Gebiet ist für Laien schwer zu durchschauen, so dass Sie gerade im Bereich einer Erbausschlagung im Zusammenhang mit einem Berliner Testament vor Eintritt des Erbfalls eine Beratung bei unserem Erbrechtsexperten in Anspruch nehmen sollten.

Ansonsten könnte es passieren, dass Sie die Sechs-Wochen-Frist verpassen, weil Sie sie nicht kannten oder dachten, sie sei länger. In diesem Fall bedarf es einer Anfechtung mit anwaltlicher Unterstützung. Es könnte auch passieren, dass Sie erst nach Annahme der Erbschaft erfahren, dass der Nachlass große Verbindlichkeiten enthält. In diesem Fall können Sie das Erbe noch ausschlagen, wenn Sie darlegen können, dass Sie von hohen Krediten oder Gläubigern nichts gewusst haben. Handelt es sich jedoch um Steuerschulden oder falsche Angaben zu einer Immobilie oder einem Grundstück, ist die nachträgliche Ausschlagung nicht möglich.

In Einzelfällen ist es auch möglich, die Ausschlagung rückgängig zu machen. So könnte es passieren, dass Sie im falschen Glauben waren, der Nachlass enthalte hohe Verbindlichkeiten, wussten jedoch nichts von einer Immobilie oder anderen Vermögenswerten. In diesem Fall gilt diese Unkenntnis als Anfechtungsgrund. Ihnen bleibt eine Frist von sechs Wochen, die Ausschlagung anzufechten, indem dies schriftlich gegenüber dem Nachlassgericht erklärt wird.

 

6. Welche Alternativen gibt es zur Ausschlagung?

Nicht immer ist eine Erbausschlagung sinnvoll, insbesondere wenn nach Abzug aller Verbindlichkeiten noch eine gewisse Summe an Nachlasswerten vorhanden ist. In diesem Fall ist eine Haftungsbeschränkung ratsam, durch die zwar alle Schulden aus dem Nachlass bezahlt werden, Sie selber aber nicht in der Pflicht stehen.

Es besteht die Möglichkeit, gerade wenn das Erbe und die Verbindlichkeiten unübersichtlich erscheinen, eine Nachlassverwaltung beim Nachlassgericht zu beantragen. Das Gericht setzt dann einen Nachlassverwalter ein, der das Erbe ordnet und Schulden bei den Gläubigern aus dem Erbe begleicht. Das am Ende übrig bleibende Vermögen steht Ihnen dann zu. Dieses Vorgehen ist trotz der damit verbundenen Kosten vorteilhaft, da Sie die Schulden nicht aus Ihrem Privatvermögen bezahlen müssen und eine Chance besteht, dass Ihnen am Ende noch Vermögenswerte bleiben.

Eine andere Option ist die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens. Diese Option kommt zum Tragen, wenn Sie erst nach Annahme des Erbes von einer Überschuldung des Erblassers erfahren. Obwohl das Verfahren gebührenpflichtig und auch recht aufwendig ist, ermöglicht es Ihnen, nicht selber für die Schulden haften zu müssen.

Beide Möglichkeiten kommen jedoch nicht in Betracht, wenn die Verbindlichkeiten derart hoch sind, dass der Rest des Erbes selbst die Kosten der Verfahren nicht decken würde. Dann ist es dennoch ratsam einen Antrag zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Nachlassgericht zu stellen. Dieser Antrag wird dann aus genanntem Grund abgelehnt. Der ablehnende Bescheid des Gerichts wiederum dient Ihnen zunächst dazu, gegenüber den Gläubigern zu belegen, dass das Erbe keine Zahlung von Schulden erlaubt.

Sie haben eine dreimonatige Schonfrist nach Annahme des Erbes, die Sie vor der Auszahlung der Gläubiger schützt. Anders als bei der Ausschlagung oder Nachlassverwaltung haben Sie jedoch nicht die Möglichkeit, sich der Zahlung der Schulden komplett zu entziehen. Nach den drei Monaten müssen Sie privat für die Schulden haften.

 

TIPP:

Lassen Sie sich kurzfristig vor der Annahme ebenso wie vor der Ausschlagung eines Erbes von unserem Erbrechtsspezialisten beraten. Schließlich gibt es immer wieder auch rechtliche Tücken bei der Ausschlagung und zudem Alternativen, die Sie vor der Zahlung der Verbindlichkeiten aus Ihrem Privatvermögen schützen. Und gerade bei einem großen unübersichtlichen Erbe können auch mit der Annahme des Nachlasses böse Überraschungen verbunden sein!

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