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Annahmeverzugslohn: Voraussetzungen und Rechtsfolgen

Der Annahmeverzug nach § 615 BGB ist eine zentrale Regelung im Arbeitsrecht, die besagt, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung hat, auch wenn der Arbeitgeber ihn nicht beschäftigen möchte oder kann. Im Folgenden werden die Voraussetzungen, Rechtsfolgen und weitere relevante Aspekte des Annahmeverzugs erläutert.

1. Voraussetzungen für Annahmeverzug

Für den Anspruch auf Annahmeverzugslohn müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Fortbestehendes Arbeitsverhältnis: Ein Annahmeverzug setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis rechtlich weiterbesteht. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Kündigung des Arbeitgebers nachträglich als unwirksam erklärt wird.
  • Angebot der Arbeitsleistung: Der Arbeitnehmer muss seine Arbeitsleistung anbieten. Dies ist im Regelfall ein tatsächliches Angebot gemäß § 294 BGB, was bedeutet, dass der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz erscheinen und seine Arbeitsleistung anbieten muss.
  • Wörtliches Angebot: Wenn der Arbeitgeber erklärt oder schlüssig zeigt, dass er die Arbeitsleistung nicht annimmt (z. B. durch Kündigung, Zutrittsverweigerung oder Sperrung des IT-Zugangs), reicht ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers aus (§ 295 BGB). In solchen Fällen muss der Arbeitnehmer nicht persönlich erscheinen.
  • Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit: Der Arbeitnehmer muss arbeitsfähig und -willig sein. Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig, etwa krankgemeldet, entfällt der Anspruch auf Annahmeverzugslohn. In Zweifelsfällen entscheidet eine medizinische Begutachtung über die Leistungsfähigkeit.
  • Verweigerung der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber: Der Annahmeverzug tritt ein, wenn der Arbeitgeber die angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt oder eine andere als die vertraglich geschuldete Tätigkeit verlangt.

2. Rechtsfolgen des Annahmeverzugs

Wenn der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät, muss er die vertraglich vereinbarte Vergütung zahlen, obwohl der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt. Dies umfasst:

  • Zeitvergütung: Der Arbeitgeber schuldet das Gehalt, das der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er gearbeitet hätte.
  • Überstunden, Gratifikationen und Zulagen: Bezahlte Überstunden, Gratifikationen, Zulagen und vergleichbare Leistungen müssen ebenfalls vergütet werden, sofern sie während des Annahmeverzugszeitraums angefallen wären.
  • Provisionen und Prämien: Bei erfolgsabhängigen Vergütungsbestandteilen (wie Prämien oder Provisionen) wird auf vergleichbare Arbeitnehmer oder die durchschnittlichen Verdienste des Arbeitnehmers in der Vergangenheit abgestellt.

3. Anrechnung anderweitigen Verdiensts

Erzielt der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugszeitraums Einkommen aus einem anderen Arbeitsverhältnis, muss er sich diesen Verdienst anrechnen lassen. Der Arbeitgeber ist dafür beweispflichtig und hat einen einklagbaren Auskunftsanspruch.

Wenn der Arbeitnehmer eine zumutbare Arbeitsmöglichkeit böswillig ablehnt, wird ihm das fiktiv erzielbare Einkommen ebenfalls angerechnet. Ein Beispiel hierfür ist die Ablehnung einer Änderungskündigung unter Vorbehalt.

4. Beendigung des Annahmeverzugs

Der Annahmeverzug endet, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die vertragsgemäße Arbeitsaufnahme ermöglicht und ihn zur Arbeit auffordert. Dies gilt jedoch nur für die Zukunft – vergangene Ansprüche auf Annahmeverzugslohn bleiben bestehen.

Während eines Kündigungsschutzverfahrens kann der Arbeitgeber eine sogenannte Prozessbeschäftigung anbieten. Die Ablehnung dieses Angebots kann als böswillige Verdienstunterlassung gewertet werden, was zu einer Anrechnung des fiktiv erzielbaren Verdiensts führen kann.

5. Ausschluss des Annahmeverzugs im Arbeitsvertrag?

Ein Ausschluss des Annahmeverzugs im Arbeitsvertrag ist nicht möglich, da § 615 Satz 1 BGB eine zwingende Schutzvorschrift für Arbeitnehmer ist. Eine entsprechende Klausel wäre nach den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam.

6. Verjährung der Annahmeverzugslohnansprüche

Annahmeverzugslohnansprüche verjähren gemäß der allgemeinen Verjährungsfrist nach drei Jahren, beginnend mit dem Zeitpunkt, an dem die Ansprüche fällig geworden sind. Zu beachten ist, dass tarifliche Verfallfristen abweichende Regelungen enthalten können, die eine frühere schriftliche Geltendmachung der Ansprüche erfordern.

7. Ausnahmefälle des Annahmeverzugs

In seltenen Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Annahme der Arbeitsleistung befreit sein, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers besonders gravierend ist (z. B. strafbare Handlungen oder grobe Pflichtverletzungen, die eine Weiterbeschäftigung unzumutbar machen).

Fazit: Der Annahmeverzug nach § 615 BGB schützt den Arbeitnehmer vor ungerechtfertigtem Gehaltsausfall, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht annimmt. Arbeitgeber sollten sorgfältig prüfen, ob sie die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ordnungsgemäß abgelehnt haben, um Annahmeverzugsansprüche zu vermeiden.

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