Arbeitsrecht

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Anzeigepflicht und Nachweispflicht bei Arbeitsunfähigkeit: Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern

Die Themen Anzeigepflicht und Nachweispflicht bei Arbeitsunfähigkeit spielen im Arbeitsrecht eine zentrale Rolle. Arbeitnehmer sind gesetzlich verpflichtet, ihren Arbeitgeber über eine Krankheit zu informieren und diese bei Bedarf nachzuweisen. Im Folgenden werden die gesetzlichen Grundlagen, die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer sowie mögliche Konsequenzen bei Verstößen erläutert.


1. Gesetzliche Grundlage der Anzeigepflicht

Die Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit ist in § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) geregelt. Sie verpflichtet Arbeitnehmer dazu, den Arbeitgeber unverzüglich über ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer zu informieren.

Wichtig:

  • Die Mitteilung muss ohne schuldhaftes Zögern erfolgen, d. h., unmittelbar nachdem der Arbeitnehmer erkennt, dass er arbeitsunfähig ist.
  • Der Begriff „unverzüglich“ bedeutet, dass die Anzeige spätestens zu Arbeitsbeginn am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit erfolgen sollte.

Ziel der Anzeigepflicht:
Der Arbeitgeber soll frühzeitig über den Ausfall informiert werden, um betriebliche Planungen anpassen zu können.

1.1. Art der Mitteilung

Die Anzeigepflicht kann formlos erfüllt werden, beispielsweise:

  • Telefonisch
  • Per E-Mail
  • Durch Dritte (z. B. Familienangehörige)

Ein Nachweis, dass der Arbeitgeber die Mitteilung erhalten hat, ist empfehlenswert, um Missverständnisse zu vermeiden, daher ist die telefonische Mitteilung nicht immer der ratsamste Weg.


2. Nachweispflicht: Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Neben der Anzeigepflicht sieht § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG auch die Nachweispflicht vor. Arbeitnehmer müssen eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit vorlegen.

2.1. Fristen für die Vorlage

  • Regelmäßige Frist: Die Bescheinigung muss spätestens am vierten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgeber vorliegen.
  • Verkürzte Frist: Der Arbeitgeber kann verlangen, dass die Bescheinigung bereits ab dem ersten Tag der Krankheit eingereicht wird. Dieses Recht steht dem Arbeitgeber frei und bedarf keiner Begründung.

2.2. Inhalte der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die Bescheinigung (umgangssprachlich „Krankmeldung“) enthält:

  • Beginn und voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit
  • Hinweis, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist
  • Keine Diagnose oder detaillierte Angaben zur Krankheit (Datenschutz!)

3. Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Seit 2023 wurde das Verfahren zur Nachweispflicht mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) reformiert. Die Arztpraxen übermitteln die Bescheinigung direkt an die Krankenkassen.

3.1. Aufgaben des Arbeitnehmers bei der eAU

Trotz des elektronischen Verfahrens bleibt der Arbeitnehmer verpflichtet:

  • Den Arbeitgeber unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit zu informieren.
  • Sicherzustellen, dass der behandelnde Arzt die AU korrekt übermittelt.

3.2. Aufgaben des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist für die elektronische Abfrage der Bescheinigung bei der Krankenkasse verantwortlich. Dennoch kann der Arbeitnehmer weiterhin aufgefordert werden, die Bescheinigung zusätzlich in Papierform einzureichen.


4. Pflichten des Arbeitnehmers im Detail

4.1. Pflicht zur Wahrheit und Vollständigkeit

Arbeitnehmer müssen korrekte Angaben über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer machen. Falsche oder unvollständige Informationen können schwerwiegende Konsequenzen haben, z. B. Abmahnungen oder Kündigungen.

4.2. Pflicht zur Mitteilung von Änderungen

Verlängert sich die Arbeitsunfähigkeit oder ändert sich deren voraussichtliche Dauer, ist der Arbeitgeber erneut unverzüglich zu informieren.

4.3. Pflicht zur Genesung

Während der Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitnehmer alles unterlassen, was die Genesung verzögern könnte. Dies umfasst z. B. anstrengende Tätigkeiten oder Reisen ohne medizinische Notwendigkeit.


5. Rechte des Arbeitgebers

5.1. Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben

Der Arbeitgeber kann von der gesetzlichen Regelung des EFZG abweichen und verlangen, dass die Bescheinigung bereits am ersten Tag der Krankheit vorgelegt wird. Diese Abweichung muss klar kommuniziert werden, z. B. durch eine Betriebsvereinbarung oder Regelung im Arbeitsvertrag.

5.2. Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit

Zweifelt der Arbeitgeber an der Arbeitsunfähigkeit, kann er den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einschalten. Dies gilt insbesondere bei:

  • Häufigen Kurzzeiterkrankungen
  • Krankmeldungen unmittelbar vor oder nach dem Wochenende oder Urlaub

6. Konsequenzen bei Verletzung der Anzeigepflicht und Nachweispflicht

6.1. Abmahnung

Verstößt ein Arbeitnehmer gegen die Anzeigepflicht oder Nachweispflicht, kann der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen.

6.2. Verlust des Entgeltfortzahlungsanspruchs

Kommt der Arbeitnehmer der Anzeigepflicht oder Nachweispflicht nicht nach, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG).

6.3. Kündigung

Wiederholte oder grobe Verstöße gegen die Pflichten können eine personenbedingte oder verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit vortäuscht.


7. Sonderfälle und besondere Regelungen

7.1. Arbeitsunfähigkeit im Ausland

Erkrankt ein Arbeitnehmer im Ausland, gelten zusätzliche Pflichten (§ 5 Abs. 2 EFZG):

  • Der Arbeitgeber ist unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit, deren Dauer und den Aufenthaltsort zu informieren.
  • Die Bescheinigung muss ebenfalls beim Arbeitgeber eingereicht werden.

7.2. Überschneidung mit Urlaub

Erkrankt ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs, werden die Krankheitstage nicht auf den Urlaub angerechnet, wenn die Krankheit durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen wird (§ 9 Bundesurlaubsgesetz).


8. Fazit: Klare Kommunikation als Schlüssel

Die Anzeigepflicht und Nachweispflicht bei Arbeitsunfähigkeit schützen die Interessen beider Parteien. Während der Arbeitgeber frühzeitig planen kann, bleibt der Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Sanktionen geschützt, wenn er seinen Pflichten nachkommt. Eine rechtzeitige und klare Kommunikation ist essenziell, um Konflikte und Missverständnisse zu vermeiden.

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