Nicht selten kommt es unter ehemaligen Eheleuten trotz gemeinsamen Sorgerechts dann zum Streit, wenn es darum geht, wo sich ein Kind dauerhaft oder auch kurzfristig aufhalten darf. Diesen Teilbereich des Sorgerechts, welcher den räumlichen Aufenthaltsort bestimmt, nennt man das Aufenthaltsbestimmungsrecht (s. §1631 BGB). Bei gemeinsamen Sorgerecht wird auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht weiterhin gemeinsam ausgeübt, es kann jedoch auch gesondert vom Sorgerecht geregelt werden. Im Folgenden wollen wir Ihnen Antworten zu den wichtigsten Fragen zu diesem Themenkomplex geben.
1. Was wird im Aufenthaltsbestimmungsrecht geregelt?
Als Teil des Sorgerechts ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht von großer Wichtigkeit. Die sog. Aufenthaltsbestimmungsbefugnis regelt sämtliche dauerhaften und vorübergehenden Aufenthaltsorte des Kindes. Dazu zählen neben dem Wohnort auch Aufenthalte an anderen Orten wie Urlaube im In- und Ausland oder Klassenfahrten sowie Besuchsregelungen der Eltern, falls die Eltern getrennt leben und das Kind beispielsweise unter der Woche nur bei einem Elternteil wohnt. Entscheidend bei der Gestaltung dieser Aufenthaltsregelungen ist dabei immer das Wohl des Kindes (s. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB), was jedoch nicht bedeutet, dass das Kind alleine bestimmen darf, wo es sich aufhalten möchte. Beim gemeinsam ausgeübten Aufenthaltsbestimmungsrecht müssen beide Eltern eine gemeinsame Entscheidung treffen. Sollten die Eltern sich jedoch nicht einigen können, wird eine Entscheidung durch das Familiengericht getroffen, wobei dieses dann auch den Wunsch des Kindes in seine Entscheidung einfließen lassen wird, sobald das Kind selber sprechen kann (ab dem 3. Lebensjahr).
2. Wie kann ich als Elternteil das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht erlangen?
Gerade wenn eine Einigung über das Aufenthaltsrecht unter den Eltern nicht möglich ist, kann jeder Elternteil, unabhängig vom gemeinsamen Sorgerecht, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht beim Familiengericht am Wohnort des Kindes beantragen und notfalls auch einklagen. Im Falle einer erfolgreichen Zusprechung des Rechts auf eine Elternteil wird das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht vom Sorgerecht abgetrennt, so dass gemeinsame Entscheidungen über den Aufenthalt des Kindes nicht mehr nötig sind.
Auch in diesem Fall ist immer das Wohl des Kindes Hauptaugenmerk des Familiengerichts. Kriterien dabei sind Fragen danach, wo die Entwicklung des Kindes am besten unterstützt wird und welche Aufenthaltsregelung die meiste Kontinuität für das Kind darstellt. So ist für das Gericht zu überlegen, welche Regelung sich für die Erziehung des Kindes günstig auswirkt und dabei ist entscheidend, welcher Elternteil für welchen Erziehungsanteil am bestens geeignet ist. Auch die sozialen Kontakte des Kindes sollten möglichst unverändert bleiben. So kann ein Wegfall des gewohnten Umfelds des Kindes beispielsweise durch deinen Wegzug des Kindes mit dem Elternteil in eine neue Stadt einen schwerwiegenden Einschnitt in das Leben des Kindes darstellen.
Auch bei der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil ist dem Gericht die Meinung des Kindes wichtig. Je älter das Kind ist, desto besser kann es seine Meinung artikulieren und desto gewichtiger ist sie für die Entscheidung des Gerichts.
Wichtig zu betonen ist hierbei nochmals, dass ein alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht das Umgangsrecht des anderen Elternteils tangiert. Dennoch ist in der Realität festzustellen, dass die Ausübung des alleinigen Aufenthaltsrechts oftmals zu erschwerten Umgangskontakten führt, wenn z.B. der aufenthaltsberechtigte Elternteil mit dem Kind wegzieht.
3. Der andere Elternteil möchte mit meinem Kind wegziehen – was kann ich tun?
Umzüge aber auch Urlaube im Ausland oder Klassenfahrten sind die häufigsten Streitthemen unter getrennt lebenden Eltern. Haben beide Eltern das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht ist etwa ein Umzug eines Elternteils nicht ohne Zustimmung des anderen Elternteils möglich. Sollte z.B. eine Mutter den Umzug mit dem Kind in eine andere Stadt erwägen, so kann der Vater des Kindes seine Zustimmung verweigern. In diesem Fall muss das Familiengericht unter Berücksichtigung des Einzelfalls und des Kindeswohls entscheiden. Im Nachgang dazu kann u.U. das Familiengericht eine generelle Entscheidung herbeiführen, um zukünftige Auseinandersetzungen zwischen den Eltern zu vermeiden.
Die Frage, ob das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht einen Elternteil berechtigt, den Umzug eines Elternteils z.B. ins Ausland zu verhindern, ist juristisch umstritten. Als ein Beispiel darf hier das Urteils des OLG Hamm (Urteil v. 15.11.2010 – AZ. 8 WF 240/10) herangezogen werden. In diesem Fall wollte die Mutter zweier Kinder in ein anderes europäisches Land (Griechenland) umziehen, wobei zu diesem Land keinerlei Bezug weder hinsichtlich eines Migrationshintergrundes noch der Sprache bestand. Der Kindesvater verweigerte daher die Zustimmung zum Umzug und beantragte daraufhin das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das Gericht gab dem Vater Recht und die alleinige Aufenthaltsbefugnis, obwohl die Kinder (9 und 11 Jahre alt) dem Umzug mit der Mutter zustimmten. Begründung des Gerichts war, dass das Kindeswohl angesichts fehlender Sprachkenntnisse und kulturellem Bezug gefährdet sei.
4. Darf ich als Elternteil mit alleiniger Aufenthaltsbefugnis alle Aufenthaltsorte des Kindes vorgeben?
Auch wenn es so erscheint, bedeutet das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht, dass der Elternteil sämtliche Aufenthaltsorte im Leben des Kindes alleine bestimmen darf. Vielmehr hat der Elternteil ohne das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Rahmen seines Umgangsrechts die Möglichkeit, während der Ausübung des Umgangs mit dem Kind den alltäglichen räumlichen Aufenthalt in dieser Zeit zu bestimmen. Beispielsweise darf der Vater ohne Aufenthaltsbefugnis während des Umgangs mit dem Kind am Wochenende selbstverständlich ohne Zustimmung der Mutter (mit alleinigem Aufenthaltsbestimmungsrecht) entscheiden, welche Orte oder welche Personen er mit dem Kind besucht. Die Grenze stellt hier jedoch wiederum das Kindeswohl dar.
TIPP:
Transparente und gerechte Absprachen zwischen den Eltern sind im Falle einer Trennung / Scheidung unerlässlich, um eine konfliktfreie Regelung im Umgang mit den gemeinsamen Kindern zu finden. Im Falle eines Scheidungsverfahrens kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in das Verfahren miteinbezogen werden. Sollte es immer wieder zu Streit zwischen den Eltern bzgl. des Aufenthalts des Kindes kommen, ist eine dauerhafte Lösung auch nach der Scheidung sinnvoll. Dann stellt sich die Frage, ob ein Elternteil das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht beim Familiengericht beantragen möchte. Gerade in strittigen Situationen ist schnelles Handeln, auch mit anwaltlicher Hilfe erforderlich, dennoch sollte auch für den Elternteil mit der alleinigen Aufenthaltsbefugnis gelten: das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat keine Auswirkung auf das Umgangsrecht und im Alltag ist es wünschenswert, den Umgang des Elternteils ohne Aufenthaltsbefugnis zu respektieren. Schließlich sollte das Wohl des Kindes stets im Fokus aller Beteiligten stehen!
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