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Alles was Sie wissen müssen zur persönlichen Anhörung eines Kindes im Sorgerechtsverfahren – Teil 3

Was passiert bei der Anhörung des Kindes im Sorgerechtsverfahren?

Immer wieder traten in den vergangenen Jahren Irritationen in Sorgerechtsverfahren auf, wenn es um die Frage ging, ob bzw. ab wann ein Kind angehört werden darf bzw. muss. Nun kam es zu einem richtungsweisenden Urteil des OLG Saarbrücken (vom 05.01.18 – 9 UF 54/17), anhand dessen wir beispielhaft die wichtigsten Informationen zur persönlichen Anhörung eines Kindes im Sorgerechtsverfahren geben möchten.

 

Was ist die Ausgangslage zum Urteil des OLG Saarbrücken?

Die geschiedenen Eheleute – im Folgenden Antragstellerin und Antragsgegner genannt – sind Eltern von zwei Kindern – im Folgenden A und B genannt. Im Rahmen des Umgangsverfahren wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit Zustimmung des Vaters (Antragsgegner) auf die Mutter (Antragstellerin) übertragen. Der Umgang des Vaters mit den Kindern wurde in mehreren gerichtlichen Vergleichen festgehalten und im Zuge deren wurde auch das Kind A persönlich im Jahre 2016 angehört.

Nun hatte die Antragstellerin im Mai 2017 vor, die gesamte elterliche Sorge für beide Kinder zu beantragen. Der Antragsgegner stimmte dem jedoch nicht zu. In Folge dessen wurde ein Verfahrensbeistand vom Gericht aus bestellt. Im Juni des gleichen Jahres kam es zu einem Erörterungstermin, bei dem sich das Jugendamt sowie der Verfahrensbeistand für die Übertragung des alleinigen Sorgerechts an die Kindesmutter aussprachen. Das Gericht schloss sich dieser Meinung an und übertrug, ohne Anhörung der Kinder, das alleinige Sorgerecht an die Antragstellerin.

Der Vater beantragte sodann die Aufhebung des gerichtlichen Beschlusses, die Mutter mitsamt der weiteren Beteiligten – außer dem Jugendamt – die Zurückweisung. Das OLG Saarbrücken hob in zweiter Instanz den Beschluss zur Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter tatsächlich auf und gab den Fall zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurück.

 

Müssen persönliche Anhörungen von Kindern immer statt finden?

Tatsächlich ist die Beschwerde nach §§ 58 ff FamFG zulässig und erfolgreich, da eine persönliche Anhörung des Kindes im Verfahren nicht statt gefunden hat. Laut § 159 Abs. 2 FamFG muss nämlich ein Kind, das sein 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, persönlich angehört werden, um seinen Willen, seine Bindungen und Gedanken zu erfassen. Nur, wenn das Gericht sich einen persönlichen Eindruck von der Gefühls- und Gedankenwelt des Kindes machen kann, ist es möglich, eine Entscheidung darüber zu treffen, wo das Kind am besten aufgehoben ist bzw. unter welchen Bedingungen die Entwicklung des Kindes am besten gefördert wird.

Eben eine solche persönliche Anhörung hat jedoch im genannten Verfahrensbeispiel nicht statt gefunden bzw. wurde nicht in einem schriftlichen Vermerk festgehalten, so dass es sich hier um einen gravierenden Verfahrensfehler handelt, der zur Aufhebung des Beschlusses seitens des OLGs führte. Zwar kann eine Anhörung aus schwerwiegenden Gründen ausbleiben, doch auch diese hat das Familiengericht nicht festgehalten, so dass keine Argumente gegen eine persönliche Anhörung der Kinder vorlagen.

 

Gibt es Kriterien für die persönliche Anhörung eines Kindes?

Das OLG Saarbrücken hat in seinem Beschluss festgelegt, dass eine erneute Anhörung stattzufinden hat, auch wenn es bereits eine Anhörung in einem früheren Verfahren gab. So wurde das Kind A zwar im Jahr 2016 im Rahmen des Umgangsverfahrens angehört, da es sich hier jedoch um einen anderen Verfahrensgegenstand handelt, kann diese Anhörung nicht für das Sorgerechtsverfahren im Jahre 2017 verwendet werden. Zudem lag die Anhörung mehr als ein Jahr in der Vergangenheit und war nur knapp dokumentiert. Nach Meinung des OLGs Saarbrücken reicht dies nicht aus, um diese Anhörung für den Beschluss des Familiengerichts zu verwenden.

Eine persönliche Anhörung des zweiten Kindes B – welches im Verfahren fünf Jahre alt war – gab es augenscheinlich nicht. Auch hier sieht das OLG vor, dass eine Anhörung des Kindes ab einem Alter von drei Jahren statt finden muss. Eine Begründung, warum das Familiengericht sich gegen die Anhörung des Kindes entschied, gab es nicht, so dass die unterbliebenen Kindesanhörungen zu schwerwiegenden Verfahrensfehlern führten und so die Sache an das Familiengericht zurück verwiesen wurde.

 

Was sind die Konsequenzen des Urteils für Sorgerechtsverfahren?

Ganz klar: das OLG stellt eindeutig fest, dass Anhörungen von Kindern in Sorgerechtsverfahren immer durchzuführen sind und nur unter bestimmten Voraussetzungen nicht statt finden müssen. Dabei müssen bereits Kinder im Alter von drei Jahren bis hin zum noch nicht vollendeten 14. Lebensjahr gehört werden. Das Gericht muss sich anhand der persönlichen Anhörung ein eigenes Bild vom Kind machen. Frühere schriftliche Dokumentationen von Anhörungen reichen hier keinesfalls aus. Zudem muss die Anhörung ausreichend schriftlich dokumentiert werden. Ein Auslassen der Anhörung ist nur unter Nennung schwerwiegender Gründe möglich, die ebenfalls ausführlich dokumentiert werden müssen.

 

TIPP:

Die persönliche Anhörung eines Kindes von nur drei Jahren erscheint zwar verfrüht ist aber außerordentlich wichtig. Bereits Kinder in diesem Alter können ihren Gefühlen und Wünschen Ausdruck verleihen und selbst, wenn sie dazu nicht ausreichend verbal in der Lage sein sollten, bietet gerade die persönliche Anhörung die Möglichkeit, nachzufragen und die Meinung des Kindes zu erforschen.

Das Ausbleiben einer solchen Anhörung stellt einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar. Sollte daher in einem Srogerechtsverfahren die persönliche Anhörung von Kindern ausbleiben, bietet sich die Gelegenheit, die Aufhebung des Beschlusses zu beantragen und zurück zu verweisen. Die Erfolgsaussichten für eine solche Aufhebung sind anhand des geschilderten Beschlusses des OLG Saarbrücken außerordentlich gut.

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