Oft ist der Streit um die gemeinsamen Kinder im Rahmen oder nach der Trennung bzw. Scheidung vorprogrammiert. Hier prallen neben den verletzten Gefühlen oftmals gegensätzliche Interessen bzgl. des Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder aufeinander.. Kommt es zu keiner Einigung der Eltern beispielsweise. bzgl. des Aufenthaltsbestimmungsrechts, kann das zuständige Familiengericht ein sog. familienpsychologisches Gutachten in Auftrag geben. Dieses Gutachten versetzt viele Betroffene in Angst. Schließlich verunsichert es die Betroffenen: warum überhaupt ein Gutachten, was erwartet mich, ist das Gutachten mit Kosten verbunden? Eines vorweg: lassen Sie sich nicht verunsichern! Einem Familiengutachten sind Sie nicht rechtlos ausgeliefert. Schließlich ist das Familiengutachten auf Grund von Fehlern in den letzten Jahren immer wieder in Kritik geraten, weshalb es mit anwaltlicher Unterstützung angefochtene werden kann. Im Folgenden geben wir Ihnen zu den dringlichsten Fragen die passenden Antworten.
Wann wird ein Familiengutachten beauftragt?
Immer wenn das zuständige Familiengericht eine Frage auf Grund von fehlendem Expertenwissen nicht selber klären kann, wird ein Gutachten eingeholt. Schließlich verfügen Familienrichter über juristisches Fachwissen und zahlreiche Erfahrungswerte in Kindschaftsangelegenheiten – sie sind auch psychologisch geschult – dennoch fehlt ihnen natürlich das Expertenwissen eines Kinder- und Jugendpsychologen. So kann gerade in Fällen des Sorgerechtsentzugs (s. § 1666 BGB) die Einholung eines psychologischen Gutachtens erforderlich sein, um zu klären, ob womöglich eine Kindeswohlgefährdung vorliegt.
Aber auch bei Streitigkeiten zwischen den Elternteilen bzgl. der Frage, wo ein Kind dauerhaft leben soll, kann eine Begutachtung beantragt werden, um zu untersuchen, bei welchem Elternteil günstigere Lebens- und Entwicklungsbedingungen für das Kind vorherrschen. In diesem Fall soll durch das Gutachten eine Konfliktlösung zwischen den Parteien herbeigeführt werden. Ein Gutachten kann, muss jedoch nicht von einem Elternteil beantragt werden, da in Kindschaftssachen das Prinzip des Amtsermittlungsgrundsatzes herrscht. Das bedeutet, dass das Gericht von Amts wegen zur Herbeiführung einer Entscheidung ein Gutachten hinzuziehen muss.
Was wird durch das Gutachten ermittelt?
Vorweg gesagt hängt der genaue Inhalt des Gutachtes stark vom Einzelfall ab. Schließlich müssen in dem Gutachten die Fragen geklärt werden, die in der einzelnen Kindschaftssache vom Gericht aufgeworfen werden. Prinzipiell soll jedoch das Gutachten dem Gericht eine Entscheidungshilfe liefern, wenn es um die Frage geht, in welcher Form die Elternteile in der Lage sind, das Kindeswohl durch eine ordnungsgemäße, das Kind fördernde Erziehung zu sichern. Im Fokus stehen dabei nicht nur die Lebenssituationen der Eltern, sondern vielmehr auch die Interessen und Bedürfnisse des Kindes.
Entscheidende Fragen sind dabei z.B.:
- Besitzen die Eltern die entsprechende Erziehungskompetenz im Sinne des Kindes?
- Wie stark sind die Bindungen des Kindes zu Eltern, Geschwistern und anderen Bezugspersonen?
- Besitzen die Eltern ausreichende Konfliktkompetenz und Empathie gegenüber dem Kind?Wie steht es um die Fördermöglichkeiten des Kindes in seiner Entwicklung?
- Kann ein Elternteil die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil zulassen und fördern?
- Wie wirkt sich eine Veränderung der herrschenden Lebensbedingungen des Kindes z.B. ein Entzug des Sorgerechts auf das Kindeswohl aus?
- Schließlich: Was will das Kind? Gerade die letzte Frage ist jedoch in der Hinsicht mit Vorsicht zu betrachten, da der Wille des Kindes nicht selten durch die Einflussnahme eines Elternteils manipuliert werden kann.
Mit welchen Kosten ist ein Familiengutachten verbunden und wer trägt sie?
Familiengutachten sind kostspielige Angelegenheiten, die die Kosten eines Kindschaftsverfahrens immens in die Höhe treiben können. Je nach Fall kann der Gutachter mehrere tausend bis sogar mehr als 10.000 € für seine Begutachtung in Rechnung stellen. Die Kosten werden dabei zwischen den Parteien hälftig aufgeteilt. Da eine Rechtsschutzversicherung in Sorgerechtsangelegenheiten nie oder je nach Vertrag nur eingeschränkt für entstehende Kosten aufkommt, müssen die Parteien das Gutachten aus eigener Tasche finanzieren. Es ist daher ratsam, die Einholung eines Gutachtens zu umgehen, indem man frühzeitig eine einvernehmliche Lösung zwischen den Elternteilen findet.
Welche Probleme sind mit Familiengutachten verbunden?
Nicht selten stand das Familiengutachten in letzter Zeit in der Kritik. Schließlich stellte sich oft die Frage, wer das Gutachten erstellen darf, über welche Qualifikationen der Gutachter verfügen soll und ob eine Methodik auf dem neuesten Stand der Wissenschaft angewendet wurde. Kritisch darf auch gesehen werden, dass der beauftragte Gutachter trotz seiner Neutralitätspflicht in seiner Begutachtung voreingenommen ist, was nicht selten zu Lasten der Väter geht. Auch den Familiengerichten gegenüber wurde immer wieder Kritik geäußert dahin gehend geäußert, dass sie sich zu sehr auf die Ergebnisse der Gutachten verlassen würden und mit einem Gutachten eine bereits vorgefertigte Sicht auf die Beteiligten zu zementieren versuchten. All diese mit dem Familiengutachten verbundenen Probleme führten dazu, dass seit Oktober 2016 durch die Reformierung des Sachverständigenrechts Mindestanforderungen an die Sachverständigen in Kindschaftsangelgenheiten gestellt werden (s. Bundesgesetzblatt vom 11.10.2016).
Kann ich mich gegen ein Familiengutachten wehren?
Es besteht für ein Elternteil die Möglichkeit, ein Gutachten anzufechten und die Einholung eines Zweitgutachten zu beantragen. Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass es im Ermessen des Familiengerichts liegt, ob dieser Antrag zugelassen wird. Der Antrag muss daher entsprechend treffend und fundiert formuliert werden. Es reicht hier nicht zu bemerken, dass das Gutachten als nicht richtig erachtet wird. Vielmehr muss ausführlich auf das Gutachten eingegangen und dargelegt werden, in welchen Aspekten das Familiengutachten fehlerhaft ist. Sollte dann ein Zweitgutachten eingeholt werden und dieses eindeutig von dem Erstgutachten abweichen, muss ein sog. Obergutachten eingeholt werden.
Zudem besteht die Möglichkeit, dass sich ein Elternteil im Rahmen der familienpsychologischen Begutachtung weigert, körperlich oder psychiatrisch bzw. psychologisch untersucht wird. Es ist jedoch zu bezweifeln, ob eine solche Weigerungshaltung die Stellung des Elternteils im Kindschaftsstreit sonderlich fördert, hingegen vielmehr schwächt. Beachten Sie, dass eine Anfechtung des Familiengutachtens wohl überlegt sein sollte und unbedingt anwaltlicher Unterstützung bedarf. Schließlich ist ein Gutachten nicht schon falsch, wenn es nicht den Vorstellungen des betroffenen Elternteils entspricht. Familiengutachter verfügen über einen gewissen Ermessensspielraum, weshalb eine Anfechtung ausführlich begründet sein sollte.
TIPP: Der beste Weg, die hohen Kosten eines Gutachtens zu vermeiden, ist das Herbeiführen einvernehmlicher Lösungen unter anwaltlicher Beratung. Sollte die Erstellung eines Familiengutachtens jedoch unausweichlich erscheinen, ist eine gute Vorbereitung darauf wichtig sowie eine Überprüfung des Gutachtens hinsichtlich eventueller Anfechtungsgründe zu überlegen. Immer wieder zeigen Urteile in der Vergangenheit, dass eine Anfechtung des Familiengutachtens in Einzelfällen durchaus erfolgreich sein kann.
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