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Alles was Sie wissen müssen zum Thema „alleiniges Sorgerecht“ – Teil 2

Das alleinige Sorgerecht? Beantragung und Voraussetzungen

 

Nicht selten kommt es nach einer Scheidung zwischen den Eltern zum Streit um die Belange der gemeinsamen Kinder. Ständige Auseinandersetzungen führen dann oftmals zum Wunsch eines Elternteils, das alleinige Sorgerecht beantragen zu wollen. Im Folgenden geben wir Ihnen die wichtigsten Informationen zum Themenkomplex „alleiniges Sorgerecht“ und zeigen Ihnen Beispiele auf, unter welchen Bedingungen es beantragt werden kann.

 

Was versteht man unter dem Sorgerecht bzw. dem alleinigen Sorgerecht?

Das Sorgerecht ist ein komplexer juristischer Begriff, zu dem einige Teilbereiche gehören. So ist ein Teilbereich des Sorgerechts das sog. Aufenthaltsbestimmungsrecht, was festlegt, wo sich ein Kind kurzfristig oder dauerhaft aufhält. Ein weiterer Bereich der elterlichen Sorge bezieht sich auf die Gesundheit des Kindes (Gesundheitsfürsorge). So tragen die Eltern die Verantwortung und treffen Entscheidungen für medizinische Behandlungen des Kindes. Auch das Vermögen wird von den Eltern für das Kind verantwortungsvoll betreut. Diese sog. Vermögenfürsorge spielt eine große Rolle, wenn ein Kind bereits in jungen Jahren ein Vermögen – und wenn es nur erspartes Geld ist – besitzt. Als weiterer Teilbereich des Sorgerechts ist die Sorge um die erzieherische und schulische Laufbahn des Kindes zu nennen. Schließlich müssen die Eltern Entscheidungen für das Kind über den Besuch pädagogischer Einrichtungen treffen. Wie man sehen kann, umfasst das Sorgerecht eine Reihe an Teilbereichen. Der Gesetzgeber sieht zunächst vor, dass beiden Eltern das gemeinsame Sorgerecht und damit die gemeinsame Entscheidungsfreiheit über sämtliche Bereiche des Sorgerechts zusteht. Damit soll Gewähr leistet werden, dass ein Kind zwei Bezugspersonen hat, welche im Sinne des Kindes gemeinsame Entscheidungen treffen.

Für Kinder, die in eine Ehe geboren werden, gilt ohnehin das gemeinsame Sorgerecht der Eltern. Sollten die Eltern eines Kindes zum Zeitpunkt der Geburt hingegen nicht verheiratet sein, wird grundsätzlich der Mutter das alleinige Sorgerecht zugesprochen, es sei denn der Vater beantragt das gemeinsame Sorgerecht. Selten ist die Konstellation, dass ein Elternteil das alleinige Sorgerecht hat. Dazu kann es kommen, wenn ein Elternteil verstirbt, so dass dem anderen Sorgeberechtigten das alleinige Sorgerecht übertragen wird oder einem Elternteil das Sorgerecht im Rahmen der Scheidung vom Familiengericht zugesprochen oder nach der Scheidung entzogen wird. Bevor es zum Entzug des Sorgerechts durch das Familiengericht kommt, erwägt das Gericht jedoch erst einmal den Entzug bestimmter Teilbereiche des Sorgerechts. Sollte es z.B. häufig Streit um den Aufenthaltsort des Kindes kommen, kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht, losgelöst vom Sorgerecht, einem Elternteil zugesprochen werden, wobei weiterhin beide das gemeinsame Sorgerecht behalten.

 

Wie kann ich das alleinige Sorgerecht bekommen?

Sollten Sie den Wunsch hegen, das alleinige Sorgerecht beantragen zu wollen, muss dieses zunächst formlos beim zuständigen Familiengericht beantragt werden. Dieser Antrag fällt dann relativ kurz aus, wenn sich der andere Elternteil einverstanden zeigt, was jedoch selten der Fall ist. Sollte keine Zustimmung des anderen Elternteils vorliegen, muss das Familiengericht überzeugt werden, das alleinige Sorgerecht auf einen Elternteil zu übertragen. Daher muss der Antrag eine möglichst ausführliche Darlegung mit Beweisen und Belegen beinhalten, welche zeigen, dass das alleinige Sorgerecht für das Kind das Beste ist. Dreh- und Angelpunkt ist dabei das Kindeswohl. Das Kindeswohl darf nicht gefährdet werden, was bedeutet das eine Gefahr für sein körperliches, geistiges oder seelisches Wohl oder eine Gefahr für sein Vermögen abgewendet werden muss. Auch wenn im Streit mit dem Ex-Partner oftmals das Gefühl entsteht, der andere Elternteil sei kein guter Umgang für das Kind, reichen bloße Anschuldigungen hier nicht aus. Es müssen handfeste Gründe vorliegen, die dem Gericht geschildert werden und die eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts im Sinne des Kindeswohls rechtfertigen.

 

Wie geht das Familiengericht bei der Entscheidungsfindung vor?

Nach Eingang des ausführlichen Antrags prüft das Familiengericht alle geschilderten Gründe hinsichtlich der Gefährdung des Kindeswohls. Bevor jedoch das gesamte Sorgerecht entzogen wird, erwägt das Gericht den Entzug eines Teilbereichs des Sorgerechts, da der Entzug des vollständigen Sorgerechts einen tiefgreifenden Einschnitt für Kind und Elternteil darstellt, welcher immer nur das letzte Mittel sein sollte. Neben den Ausführungen des beantragenden Elternteils, wird auch das Kind vom Gericht angehört, dessen Interessen durch das Jugendamt vertreten werden. Das Jugendamt gibt hierbei eine Stellungnahme ab, eine Anhörung des Kindes wird jedoch auch durchgeführt. Sie ist für jüngere Kinder fakultativ und für Kinder, die das 14. Lebensjahr vollendet haben sogar vorgeschrieben. Für das Jugendamt steht stets das Kindeswohl im Fokus, so dass es ratsam für beide Elternteile ist, eine sachliche Kommunikation und Kooperation mit dem Jugendamt zu pflegen. Zudem werden im Verfahren beide Elternteile oder Pflegepersonen, sollte das Kind in einer Pflegefamilie leben, durch das Gericht angehört. Das Familiengericht bzw. der Familienrichter wendet bei seinen Überlegungen zum Entzug des gemeinsamen Sorgerechts folgende Kriterien an: Kontinuität, Förderung und soziale Bindung. So soll Kontinuität für das Kind sicherstellen, dass es auf einen einheitlichen und verlässlichen Erziehungsrahmen zurückgreifen kann. Dazu zählen sichere, dauerhafte und berechenbare zwischenmenschliche Beziehungen. Das Gericht überprüft, bei welchem Elternteil diese Kontinuität in hohem Maße gesichert ist. Das Kriterium der Förderung sieht vor, dass das Gericht untersucht, welches Elternteil die besten materiellen und mentalen Möglichkeiten mitbringt, um die Entwicklung des Kindes zu fördern. Bei der Entscheidung des Gerichts spielen auch die sozialen Bindungen des Kindes eine Rolle. So stellt der Richter die Frage, bei welchem Elternteil das soziale Umfeld in Form von Geschwistern, Verwandten, Freunden und pädagogischen Bezugspersonen sichergestellt ist. Die Kriterien überprüft der Richter anhand der Sichtung aller Schilderungen der Beteiligten. Es ist jedoch ein Irrglaube, dass das Familiengericht ausschließlich dem Willen des Kindes folgt. Auch Jugendliche ab 14, die selbst angehört werden müssen, können zwar einen Wunsch hinsichtlich des Sorgerechts äußern, entscheidend ist jedoch die Gewichtung aller Beweise durch das Familiengericht. So kann ein Familienrichter auch gegen die Aussage des Kindes eine Entscheidung hinsichtlich des Sorgerechts treffen.

 

Wann ist eine Beantragung des alleinigen Sorgerechts möglich?

Anhand folgender Fallbeispiele möchten wir Ihnen darstellen, wann eine Beantragung des alleinigen Sorgerechts zumindest möglich erscheint. Sollte es durch einen Elternteil zu schweren Erziehungsfehlern im Umgang mit dem Kind kommen, kann ein Entzug des Sorgerechts erwogen werden. Unter schweren Erziehungsfehlern versteht man z.B. eine staatsfeindliche Erziehung (im Sinne von Rechts- oder Linksextremismus oder radikalen Glaubensgemeinschaften) oder ständige Wutausbrüche eines Elternteils. Auch eine ständige Unter- oder Überforderung des Kindes im schulischen Kontext kann als schwerer Erziehungsfehler gewertet werden. Beispielhaft für den Entzug des Sorgerechts sei hier auch eine Gesundheitsgefährdung des Kindes genannt. So haben beide Eltern die Gesundheitsfürsorge für das Kind. Sollte ein Elternteil jedoch wichtige notwendige medizinische Behandlungen verweigern, kann ein Entzug des Sorgerechts erwogen werden. Weitere Gründe für einen Sorgerechtsentzug können ein gefährliches Umfeld durch Dritte, eine Verhinderung der Schulpflicht oder ein Missbrauch des Sorgerechts sein. Auch wenn ein Elternteil ständig den Umgang des anderen Elternteils mit dem Kind verhindert, kann dieses Verhalten zu einem Sorgerechtsentzug führen. Wichtig zu wissen ist, dass Eltern nicht nur wegen absichtlich schlechtem Verhalten das Sorgerecht entzogen werden kann. Auch wenn Eltern trotz guter Absichten ständig in Erziehungsfragen überfordert sind, ob auf intellektueller, finanzieller oder auch zeitlicher Ebene, kann ein Sorgerechtsentzug erwogen werden.

 

TIPP: Sollten Sie selbst von einem Sorgerechtsentzug bedroht sein, ist anwaltliche Beratung und Hilfe unerlässlich. Schließlich werden Sie im Gerichtsverfahren gehört und daher ist eine gute Vorbereitung Ihrer Aussage äußerst wichtig. Andererseits ist anwaltliche Hilfe auch ratsam, wenn Sie die Beantragung des alleinigen Sorgerechts ohne Zustimmung des anderen Elternteils in Betracht ziehen. Bloße Anschuldigungen sind hier nicht zuträglich. Vielmehr müssen Sie das Familiengericht überzeugen, warum Ihnen das alleinige Sorgerecht zugesprochen werden sollte.

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